Es braute sich etwas zusammen
Sonderausstellung zur Revolution 1918/19 im Berliner Themenjahr

Der Himmel hängt voller Wahlplakate. 1919 wurden Schöneberger und Friedenauer dreimal an die Wahlurne gerufen. | Foto: KEN
4Bilder
  • Der Himmel hängt voller Wahlplakate. 1919 wurden Schöneberger und Friedenauer dreimal an die Wahlurne gerufen.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Silvia Möller

Nach der Erinnerungsarbeit zum Ersten Weltkrieg steht ein nächstes denkwürdiges Ereignis an: 100 Jahre Revolution 1918/19. Berlin veranstaltet dazu ein Themenjahr. Das Schöneberg Museum präsentiert dazu eine Sonderausstellung.

Was für Berlin der 9. November 1918 als Schlüsseldatum für den Aufbruch in eine neue politische Ordnung war, war der 10. November für Friedenau und Schöneberg. Am 10. November sei die Revolution in die beiden, damals selbständigen Landgemeinden gekommen. „Es braute sich etwas zusammen. Männer und Frauen strömten zu den Rathäusern“, illustriert Irene von Götz, Leiterin der Museen Tempelhof-Schöneberg, die Ereignisse.

Wie in Friedenau Soldaten und Arbeiter der Goerz-Werke das Rathaus eingenommen haben, die rote Fahne gehisst und ein Arbeiter- und Soldatenrat eingesetzt wurde, ist im Friedenauer Lokal-Anzeiger nachzulesen. Die Ausgabe vom 11. November 1918 hängt in der Ausstellung.

An diesem Tag spielt sich in Schöneberg eine ähnliche Szenerie ab. Nur, der Oberbürgermeister der Stadt, Alexander Dominicus, ein Liberaler, verhindert die Besetzung des Rathauses und die Gründung eines Arbeiter- und Soldatenrats auf der Roten Insel. Was er nicht verhindern kann, ist das Hissen der roten Fahne.

Was die von Johanna Strunge kuratierte Ausstellung aber deutlich herausarbeitet, ist: In beiden Landgemeinden herrschte das bürgerliche Milieu vor. Und das war in seiner Haltung zu den politischen Umwälzungen sehr vielschichtig. Die Ausstellungsmacher zeigen es an Lebenszeugnissen, die das gesamte politische Spektrum abdecken, von der Spartakistin Gertrud Alexander aus der Niedstraße 19 bis hin zum Pfarrer der Gemeinde Zum Heilsbronnen, Otto Dibelius, einem Gegner der Republik.

Immer wieder werden die Ereignisse dieser Tage in Berlin und Deutschland und jene in Friedenau und Schöneberg miteinander verschränkt, beginnend mit der Vorgeschichte und den Ursachen der Revolution, dem Ersten Weltkrieg und der Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung. Es folgt die Schilderung des Kampfes um politische Mitsprache und gesellschaftliche Freiheiten. Im Verlauf der Revolution wurde in Friedenau und Schöneberg gleich dreimal gewählt: die Nationalversammlung, die verfassungsgebende Versammlung für Preußen und ein neues Gemeindeparlament beziehungsweise eine neue Stadtverordnetenversammlung. Im Zuge der Revolution entstand eine neuartige Tanz- und Vergnügungskultur, die sich insbesondere rund um den Nollendorfplatz auslebte.

Die Ausstellung endet mit einem Blick auf den Kapp-Putsch 1920, einen 100 Stunden währenden konterrevolutionären Putschversuch rechtsnationaler Politiker und meuternder Freikorpssoldaten gegen die geschaffene Weimarer Republik. In Friedenau und Schöneberg wurden erneut die Rathäuser besetzt, tatkräftig unterstützt von der Bevölkerung vor Ort. Viele waren bereits 1919 der Bürgerwehr beigetreten. Sie fürchteten einen Bürgerkrieg oder sozialistische Maßnahmen wie in der entstehenden Sowjetunion.

Kuratorin Johanna Strunge, seit 2014 Studentin des Masterstudiengangs „Public History“ (Museumspädagogik, Geschichtsdidaktik, Kulturmanagement und Öffentlichkeitsarbeit) an der Freien Universität und freie Mitarbeiterin im Jugendmuseum Schöneberg, wurde von einem Fund im Depot des Museums zu der Ausstellung angeregt: einem bronzenen Bismarck-Kopf, der in den Wirren der Novembertage 1918 im Rathaus Schöneberg gestürzt worden sein soll. In wenigen Monaten hat dann Strunge gemeinsam mit ihrem Ko-Kurator, dem Historiker und Medienpädagogen Stefan Zollhauser, die Schau auf die Beine gestellt.

Schöneberg Museum, Hauptstraße 40/42: „Revolution 1918/19 – Schöneberg ringt um Demokratie“, bis 11. November, sonnabends bis donnerstags 14 bis 18 Uhr, freitags 9 bis 14 Uhr, Eintritt frei; Begleitprogrammunter  www.museen-tempelhof-schoeneberg.de/revolution_1918-19.html, Teilnahme kostenlos.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 194× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 172× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 5× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 233× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 605× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.