100 Jahre Groß-Berlin:
Gesundheit und Wohlfahrt lagen im Wesentlichen in den Händen gemeinnütziger Träger

Ärzte, Pflegepersonal und Angehörige bei einer Jahresfeier in den Zwanzigerjahren.
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  • Ärzte, Pflegepersonal und Angehörige bei einer Jahresfeier in den Zwanzigerjahren.
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Die Eingemeindung von acht Städten, 59 Gemeinden und 27 Gutsbezirken nach Berlin war nicht allein verwaltungstechnisch eine Herausforderung. Die neu entstandene Metropole Groß-Berlin musste ebenso Gesundheit und Wohlfahrt ihrer nun auf das Doppelte hochgeschnellten Einwohnerzahl sicherstellen.

Die Bildung der Mega-Stadt an der Spree hatte eine besonders große und unmittelbare Auswirkung auf das Krankenhauswesen. Die Zahl der von privaten und gemeinnützigen Trägern geführten Krankenhäuser stieg von54 Kliniken in Alt-Berlin vor 1920 auf 119 in der neuen Gesamtstadt. Alt-Berlin besaß gerade einmal acht städtische Krankenhäuser. Nach 1920 kamen elf Häuser aus den Umlandgemeinden hinzu, drei aus Charlottenburg, zwei aus Neukölln sowie jeweils eines aus Spandau, Wilmersdorf, Schöneberg, Lichtenberg, Pankow und Weißensee. Ebenso fanden sich nach der Bildung Groß-Berlins etliche Kreiskrankenhäuser auf dessen Territorium.

Es waren auch gemeinnützige Krankenhausträger, die ab 1920 rund ein Dutzend neue Häuser errichteten. Und das, obwohl diese Träger genauso stark wie die öffentliche Hand von Geldentwertung und Wirtschaftskrise betroffen waren. Berlin aber baute nicht. Knappe Haushaltsmittel, die genannte Nachkriegsinflation und Schludrigkeit in der Verwaltung verhinderten das. Die Stadt hatte keinen Plan, wie sie die notwendigen Kapazitäten schaffen sollte.

Genausowenig schickte sich Groß-Berlin an, bestehende Einrichtungen zu erweitern oder zu modernisieren, um den gestiegenen Mehrbedarf an Krankenhausbetten zu befriedigen. Immerhin wurde das Krankenhaus Neukölln erweitert. Die Bettenzahl stieg dadurch erheblich.

Viel lieber steigerten die Verantwortlichen im Groß-Berliner Gesundheitswesen die Bettenzahl, indem sie mehr Betten in die Krankenzimmer stellten. So wurden zwischen 1923 und 1929 in städtischen Krankenhäusern, Hospitälern und „Irrenanstalten“ insgesamt annähernd 7460 Betten geschaffen. Ende der Zwanziger verfügte Groß-Berlin über rund 27 000 Betten.

Leider mussten nach 1920 gemeinnützige Krankenhäuser geschlossen werden. Das Säuglingsheim des Verbandes der Groß-Berliner Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz in der Badenschen Straße und die Säuglingsklinik Wilmersdorf in der Kaiserallee schlossen sich 1926 zusammen und zogen in das Mosse-Stift in der Homburger Straße. Die bis 1923 private Säuglingsklinik in der Charlottenburger Christstraße wurde 1929 dichtgemacht. Das Rote-Kreuz-Krankenhaus „Marienheim“ wurde 1923 Altersheim. Oder es gab Umwandlungen in städtische Krankenhäuser. Beispiele dafür sind das Filialhospital vom städtischen Obdach in Reinickendorf, die Heimstätte Upstall Blankenburg für genesende Frauen und das Auguste-Victoria-Krankenhaus vom Roten Kreuz in Weißensee.

Das Gesundheitswesen, in Alt-Berlin ein Sammelsurium an Verantwortlichkeiten, wurde nach 1920 straff organisiert. An seiner Spitze standen der Stadtmedizinalrat und die Gesundheitsdeputationen. Sie waren direkt dem Magistrat der Stadt verantwortlich. Auf Bezirksebene entstanden bezirkliche Gesundheitsämter mit ihren Stadtärzten.

Der Standort einer Klinik wurde nach dem Bedarf ermittelt, nicht nach Bezirken. Hauptaufgaben der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in der Metropole waren unter anderem die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, typische Kinderkrankheiten, von „Volksseuchen“ wie der Tuberkulose und von Geschlechtskrankheiten sowie die „Krüppelfürsorge“.

Mehr zum Thema erfährt man im Buch von Urte Friederike Verlohren „Krankenhäuser in Groß-Berlin. Die Entwicklung der Berliner Krankenhauslandschaft zwischen 1920 und 1939“, 328 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-95410-241-9, 30 Euro.

Ärzte, Pflegepersonal und Angehörige bei einer Jahresfeier in den Zwanzigerjahren.
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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