Erich Lezinsky und die Verlagsgründung vor 75 Jahren
"Die Tendenz sollte nicht ausgesprochen sozialdemokratisch sein"

Erich Lezinsky bei seiner Ansprache anlässlich der Übergabe der Zeitungslizenz für das Spandauer Volksblatt durch Vertreter der britischen Militärregierung im März 1946. | Foto: Archiv Verlagsservice Lezinsky
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  • Erich Lezinsky bei seiner Ansprache anlässlich der Übergabe der Zeitungslizenz für das Spandauer Volksblatt durch Vertreter der britischen Militärregierung im März 1946.
  • Foto: Archiv Verlagsservice Lezinsky
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von Karl Heinz Bannasch,
Erster Vorsitzender der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau e.V

Mit unerschütterlicher Energie hat sich Erich Lezinsky nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft dem Wiederaufbau Spandaus gewidmet und sofort versucht, die 1933 verbotene Tageszeitung “Spandauer Volksblatt” wiederzubeleben.

Der 1886 in Gorgast, nahe Küstrin, geborene Sohn eines Försters erlernte nach der Volksschule das Handwerk eines Buchdruckers. Schon damals hatte er die Sehnsucht, einmal Redakteur einer Zeitung zu sein. Durch autodidaktisches Lernen schaffte er den Sprung zum Journalisten.

Soldat an der Ostfront im Ersten Weltkrieg

Bevor sich jedoch sein Traum erfüllen würde, begann der Erste Weltkrieg und Lezinsky diente als Soldat von 1914 bis 1918 den gesamten Krieg über meist an der Ostfront. Als Vizefeldwebel kam er, auch nach mehreren Verwundungen, zurück in die Heimat. Erst jetzt konnte er sich dem Journalismus widmen. Er schloss sich zuerst einer Zeitung in Landsberg/Warthe (Gorzów Wielkopolski) an, um dann 1931 nach Spandau zu wechseln. Wie seinen Unterlagen zu entnehmen ist, hat er seine Heimat nicht freudig in Richtung Spandau verlassen.

Damals war das SPD geführte Spandauer Volksblatt, das seit 1919 existierte, auf Lezinskys Arbeit im fernen Pommern aufmerksam geworden. Bereits 1903, als 17-Jähriger, war er der Sozialdemokratischen Partei (SPD) beigetreten und in den Anfangsjahren stellte das Blatt ausschließlich SPD-Mitglieder als Journalisten ein.

SPD-Stadtverordneter in Berlin

Für die SPD gehörte er auch dem Berliner Stadtparlament als Stadtverordneter an. Bis 1933 befasste er sich hauptsächlich mit der Kommunalpolitik, Geschichte und Feuilleton, er wollte den Alltag der einfachen Menschen verbessern - angemessenen Wohnraum schaffen und vor allem Bildungschancen ermöglichen. Das Wohnungsproblem Spandaus wurde bereits 1904 Gegenstand von Debatten im Deutschen Reichstag, kein geringerer als Karl Liebknecht hat die Diskussion darüber entfacht. Auch 30 Jahre später war das Problem, und eigentlich bis heute, nicht behoben.

Im Juni 1933 wurde Lezinsky entlassen, weil die Nazis das Spandauer Volksblatt verboten hatten. Nachdem er kurzfristig in ein Konzentrationslager verbracht wurde, war er nach der Entlassung mehrere Jahre arbeitslos. Dann bekam er eine Anstellung als Materialverwalter im Luftgerätewerk Hakenfelde. Hier fiel er durch besonders gute Leistungen auf, erhielt Sonderzahlungen und wurde befördert. Nach dem Hitlerattentat 1944 wurde er erneut für knapp zwei Monate in ein Konzentrationslager gesperrt, um zu prüfen, ob er Mittäter oder Mitwisser war.

Lizenzantrag bei britischer Besatzungsmacht gestellt

Gleich nach Ende des Krieges beantragte er bei der britischen Besatzungsmacht die Lizensierung für das Spandauer Volksblatt, das sich weiterhin im Besitz der SPD befand. Der frühere Lizenzinhaber Erich Stahl mahnte auch aus dem Exil in Schweden, das Volksblatt für die Partei nicht zu vergessen. Erich Lezinsky wurde vermutlich vom späteren Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer über diesen Schriftwechsel informiert.

Das Entnazifizierungsverfahren durchlief er ohne Probleme. Bis zur Lizensierung des Volksblattes musste er sein Ansinnen jedoch mehrfach konkretisieren. Die Westalliierten erteilten Lizenzen nur an untadelige Personen. Im Juli 1945 begründete er seinen Antrag wie folgt: "Die Tendenz der von mir beabsichtigten Zeitung soll nicht ausgesprochen sozialdemokratisch sein”, vielmehr wolle er “eine geistige Umschulung des Volkes auf antifaschistischer Grundlage”. Letztendlich erhoffte er sich einen neuen, demokratischen Aufbruch nach zwölf Jahren Naziherrschaft. Ein hehres Ziel, und es spricht für Lezinsky, dass er die Deutschen nicht aufgegeben hat und sich sofort an die Verwirklichung machte.

Erste Ausgabe des Spandauer Volksblattes erschien am 5. März 1946

Am 5. März 1946 wurde die erste Ausgabe des Spandauer Volksblattes ausgeliefert. Sein Lebenswerk fing erneut an, Früchte zu tragen. Bereits die erste Ausgabe machte deutlich, wie sehr Lezinsky mittlerweile in Spandau verwurzelt war. Mehrere Artikel befassten sich mit der Geschichte des Havelbezirks und damit trug er nachhaltig zum besonderen Lokalkolorit Spandaus bei, das den Bezirk lange Zeit auszeichnete. Bis 1997 war das Volksblatt im Besitz der SPD, danach wurde es veräußert.

Auch setzte sich Erich Lezinsky wieder als SPD-Stadtverordneter in Berlin für die Belange der breiten Masse ein. Am 6. März 1952 starb er, hinterließ seine Ehefrau Margarete und seinen Sohn Kurt. Sie beide übernahmen nun die Geschäftsführung der Zeitung. Sein Grab befindet sich als Ehrengrab auf dem Spandauer Friedhof “In den Kisseln”. Er kam widerwillig nach Spandau, um hier dann die Liebe zur neuen Heimat zu entdecken und ein geachteter und beliebter Mann Spandaus zu werden.

Erich Lezinsky bei seiner Ansprache anlässlich der Übergabe der Zeitungslizenz für das Spandauer Volksblatt durch Vertreter der britischen Militärregierung im März 1946. | Foto: Archiv Verlagsservice Lezinsky
Verlagsgründer Erich Lezinsky | Foto:  Archiv Stadtgeschichtliches Museum Spandau
Autor:

Karl-Heinz Bannasch aus Spandau

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