"Nichts ist erledigt"
Uferhallen droht erneut das Aus

Gut eineinhalb Jahre nach dem Letter of Intent sind die Uferhallen als Kulturstandort wieder in Gefahr. Der Investor hat das Großprojekt offenbar hingeworfen. Künstler und Bezirksamt sind enttäuscht.

Mehr als 100 Künstler arbeiten auf dem ehemaligen Industriegelände an der Uferstraße. Die denkmalgeschützten Uferhallen sind einer der letzten freien Orte für Berlins Kulturszene. Um die zahlreichen Ateliers, Tanz- und Probenräume, Werkstätten, Tonstudios und Veranstaltungsräume vor massiver Bebauung und steigenden Mietpreisen zu schützen, wird seit Jahren verhandelt.

Zuletzt hatten sich das Bezirksamt, der Senat, das Landesdenkmalamt und die Eigentümer im Herbst 2021 wie berichtet in einem Letter of Intent, einer Absichtserklärung, auf die Rettung des Kultur-standorts und die Verlängerung der Mietverträge verständigt. Der Bezirk brachte seinerseits ein Bebauungsplanverfahren auf den Weg, mit dem Ziel, die Mieter zu sichern, ein Sondergebiet Kultur festzusetzen und der jetzigen Eigentümerin, der Marema GmbH, ein dem Standort angemessenes Bauprojekt zu genehmigen.

Doch alle Bemühungen sind offenbar gescheitert. „Nach einem fünfjährigen Marathon mit zähen Verhandlungen, verbunden mit einem Auf und Ab von Hoffnungen und Enttäuschungen, steht der Kulturstandort Uferhallen vor dem drohenden Aus“, warnt der Verein Uferhallen in einem offenen Brief. Der Grund: „Als sich in den Verhandlungen eine erfolgreiche Einigung abzeichnete, kündigten die Eigentümer im Januar 2023 einseitig das Bebauungsplanverfahren – angeblich aus wirtschaftlichen Erwägungen“. Damit sei für die Mieter der Uferhallen und den Verein eine „ungeklärte und gefährliche Situation entstanden“. Alle bisherigen Verhandlungen seien damit bedeutungslos, so der Verein weiter. Kündigungen würden angedroht und der geplante Generalmietvertrag über 30 Jahre sei obsolet. Zudem würden Mieter ihre Arbeitsräume verlieren. Denn drei kleinere Bauvorhaben, für die die Eigentümerin laut Bezirksamt bereits Baurecht hat, sollen ab Januar 2024 auf dem Areal umgesetzt werden. Zehn Künstler müssen damit raus.

Verein fordert Vertrag

Enttäuscht zeigt sich auch der Berliner Atelierbeauftragte. „Der lange Sondierungsprozess zwischen Eigentümer, Künstlern, Bezirk und Land endet ergebnislos“, sagt Martin Schwegmann. „Somit ist der Verbleib der Künstler und Gewerbetreibenden vor Ort immer noch gefährdet. Nichts ist erledigt.“ Die Uferhallen drohten ein Ort der Investorenkultur zu werden wie im ehemaligen Tacheles‐Quartier an der Oranienburger Straße.

Für Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) ist das „alles deprimierend“. Man habe lange und zäh verhandelt, „ohne den Schritt in die Verbindlichkeit“ geschafft zu haben. „Das große Projekt ist gescheitert, weil der Eigentümerin die finanziellen Rahmenbedingungen nicht mehr passen.“ Das B-Planverfahren ist damit für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Dem Bezirk sind allerdings schon Kosten aufgelaufen. Laut Ephraim Gothe müsse man jetzt abwarten, wie sich die Senatskulturverwaltung unter dem neuen Senator Joe Chialo (CDU) positioniert. „Wir haben den Senator angeschrieben und hoffen, er zieht mit uns an einem Strang.“ Die Kulturverwaltung wollte auf dem Gelände der Uferhallen eine 3000 Quadratmeter große Halle für Ausstellungen anmieten.

Der Uferhallen-Verein fordert jetzt, die Gespräche zwischen Eigentümer, Senat und Bezirk, die im Kontext des Bebauungsplanverfahrens geführt wurden, „unverzüglich“ fortzusetzen. „Wir fordern einen Vertrag zwischen den Eigentümern, den Nutzern und dem Land Berlin. Dieser Vertrag muss die Ateliers und ihre Bezahlbarkeit nachhaltig sichern.“ Nur so lasse sich der Kulturstandort Uferhallen erhalten. Und auch Martin Schwegmann appelliert an alle Akteure: „Findet zusammen mit den Künstlern eine langfristige Lösung, die diesem einzigartigen Ort der künstlerischen Arbeit eine Zukunft gibt.“

Der Investor wollte an den Rändern des Uferhallen-Geländes zahlreiche neue Wohnungen bauen, darunter einen 13-stöckigen Wohnturm mit Ateliers im Erdgeschoss.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 187× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 164× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 226× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 603× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.