Lüderitz und Nachtigal sollen weg: Belastete Namen im Afrikanischen Viertel sollen verschwinden

Seit 2012 informiert an der Müllerstraße Ecke Otawistraße eine Infotafel zur Geschichte der Straßennamen und der Kolonialzeit. | Foto: Dirk Jericho
2Bilder
  • Seit 2012 informiert an der Müllerstraße Ecke Otawistraße eine Infotafel zur Geschichte der Straßennamen und der Kolonialzeit.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Wedding. Nach jahrelangen Debatten um die Umbenennung der Straßen im Afrikanischen Viertel startet das Bezirksamt jetzt das Änderungsverfahren.

Mit etwas Verspätung startet Kulturstadträtin Sabine Weißler (Grüne) jetzt die Namensdebatte und ruft die Bürger auf, Namensvorschläge für zwei Straßen im Afrikanischen Viertel zu machen. Damit setzt das Bezirksamt einen BVV-Beschluss vom März 2016 um. Die Bezirksverordneten wollen die Petersallee, die Lüderitzstraße und den Nachtigalplatz umbenennen. Die Petersallee, 1939 nach dem Kolonialpolitiker und Unternehmer Carl Peters benannt, wurde 1986 auf Drängen der Anwohner bereits umgewidmet und ehrt seitdem den NS-Widerstandskämpfer und CDU-Politiker Hans Peters. Die Straße stelle laut Bezirksamt einen Sonderfall dar, teilte Weißler bereits im Dezember in einem Anwohnerschreiben zu den geplanten Umbenennungen mit. Die geforderte Umbenennung der Petersallee werde derzeit rechtlich geprüft.

Bis zum 25. Februar können Vorschläge beim Bezirksamt für zwei von 22 Straßen im Afrikanischen Viertel eingereicht werden, die Namen von Vertretern des deutschen Kolonialismus tragen. Die Namen Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal schaden laut BVV-Beschluss „dem Ansehen Berlins und sind mit dem heutigen Demokratieverständnis nicht mehr im Einklang.“ Eine Jury, bestehend aus Bezirksamt, Mitgliedern der BVV, Aktiven der Afrikanischen/Postkolonialen Community und weiteren Initiativen, soll die Vorschläge auswählen. Allerdings gibt es klare Vorgaben für die gewünschten neuen Straßennamen. Sie sollen „Persönlichkeiten – insbesondere Frauen – der (post-)kolonialen Befreiungs- und Emanzipationsbewegung aus Ländern Afrikas ehren“, heißt es in Weißlers Aufruf.

Das Afrikanische Viertel in Wedding ist das größte seiner Art in Deutschland mit kolonialen Namensgebungen. Zwischen 1899 und 1958 wurden hier „viele Straßen im Geiste kolonialer Bestrebungen und Träume nach Orten und Ländern in Afrika benannt“, wie das Bezirksamt den Anwohnern Anfang Dezember in einem Anwohnerschreiben erklärte. Insgesamt 25 Straßen sind im Afrikanischen Viertel nach afrikanischen Ländern, Städten und Flüssen, Kolonialstützpunkten und Kolonialherren benannt. Die Straßen wurden jedoch nicht nur nach ehemaligen deutschen Kolonien benannt. Die Benennungen erfolgten in der Kaiserzeit, als das Deutsche Reich noch im Besitz eines Teils der Gebiete war, aber auch in der Zeit der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und noch in den 1950er-Jahren.

Seit Jahren gibt es Versuche, die Straßennamen zu ändern. SPD, Grüne, Linke und Piraten hatten 2016 beschlossen, zumindest drei Namen zu ändern. Nur die CDU war dagegen. Für die Christdemokraten war der Verzicht auf Straßenumbenennungen 2011 sogar Bedingung in der Zählgemeinschaftsvereinbarung mit der SPD. Als Kompromiss wurde 2012 an der Müllerstraße Ecke Otawistraße eine Infotafel zur Geschichte der Straßennamen und der Kolonialzeit aufgestellt. Über die Inhalte wurde lange gestritten. Es gibt einen Text der BVV und einen Text afrikanischer Organisationen, der mehr die Brutalität und Verbrechen der deutschen Eroberer betont. Die BVV hatte 2011 auch beschlossen, „das Afrikanische Viertel zu einem Lern- und Erinnerungsort“ zu machen.

Jetzt sollen vorerst die Lüderitzstraße und der Nachtigalplatz neue Namen bekommen. Er ist nach dem Afrikaforscher und Kolonialpolitiker Gustav Nachtigal benannt, die Lüderitzstraße nach dem Kaufmann Adolf Lüderitz, der in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika im heutigen Namibia aktiv war.
Die Anwohnerinitiative Pro Afrikanisches Viertel (IPAV) hatte 2016 einen Kompromissvorschlag gemacht: Der Nachtigalplatz wird zum Nachtigalplatz, die Lüderitzstraße zur Lüderitzstraße. Statt wie bisher dem Afrikaforscher und Kolonialpolitiker Gustav Nachtigal, soll der Nachtigalplatz dem Theologen und Schriftsteller Johann Karl Christoph Nachtigal gewidmet werden, so die Idee. Alter Name, neue Bedeutung – damit wären kostenintensive Änderungen nicht nötig. Die Lüderitzstraße soll nicht mehr nach Adolf Lüderitz heißen, sondern nach der nach ihm benannten Hafenstadt Lüderitz. Die IPAV argumentiert damit, dass 2013 im namibischen Lüderitz selbst ein ähnlicher Umbenennungsversuch für die Hafenstadt gescheitert war.

Ein Anwohner aus der Lüderitzstraße findet die Idee gut. Er habe bei seiner Recherche über Adolf Lüderitz nichts Schlimmeres gefunden, als dass dieser sich in der damaligen deutschen Kolonie „betrügerisch Land angeeignet hat“. Man müsste nur ein „er“ anhängen, um aus der Lüderitzstraße eine Lüderitzer Straße zu machen, so der Anwohner. Für den Nachtigalplatz hat er auch einen Buchstaben. Mit einem zusätzlichen L würde aus dem Kolonialpolitiker ein Vogel. DJ

Bis zum 25. Februar können Namensvorschläge im Rathaus oder per Mail an strassenumbenennung@ba-mitte.berlin.de abgegeben werden.
Seit 2012 informiert an der Müllerstraße Ecke Otawistraße eine Infotafel zur Geschichte der Straßennamen und der Kolonialzeit. | Foto: Dirk Jericho
Seit 2012 informiert an der Müllerstraße Ecke Otawistraße eine Infotafel zur Geschichte der Straßennamen und der Kolonialzeit. Foto: Dirk Jericho | Foto: Dirk Jericho
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 768× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 782× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 473× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 924× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.855× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.