"Systemrelevant für unsere Gesellschaft"
BVDA-Hauptgeschäftsführer Jörg Eggers über das Engagement von kostenlosen Wochenzeitungen im Vorfeld der Wahlen
Der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) ist die Interessenvertretung der deutschen Anzeigenblattverlage. Zu ihm gehören 181 Verlage mit 635 Titeln und einer wöchentlichen Auflage von 48,4 Millionen Exemplaren.
Allein diese Zahlen machen deutlich, welches Gewicht die kostenlosen Wochenzeitungen in der deutschen Medienlandschaft haben. Zu ihrem Selbstverständnis gehört es, mit ihrer lokalen Berichterstattung einen wichtigen Beitrag für eine lebendige Demokratie und Zivilgesellschaft zu leisten. Der Redaktionsleiter der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts, Hendrik Stein, sprach mit BVDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Jörg Eggers über das Engagement der Anzeigenblätter und ihres Verbandes im Vorfeld der Wahlen am 26. September.
Nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl. Welche Rolle spielten und spielen die Anzeigenblätter im Vorfeld der Wahlen?
Jörg Eggers: Die kostenlosen Wochenzeitungen spielen eine bedeutende Rolle im Vorfeld der Bundestagswahl. Seit dem 31. Juli informieren wir beispielsweise in einer Serie gemeinsam mit unserem Partner, dem renommierten Recherchezentrum CORRECTIV, unsere Leserinnen und Leser jede Woche zu einem wahlrelevanten Thema. Unser Ziel ist es dabei, die Menschen zu informieren und sie bei ihrer fundierten Wahlentscheidung aktiv zu unterstützen.
Der BVDA ist sehr gut vernetzt in Politik und Zivilgesellschaft. Findet dort das Engagement der kostenlosen Wochenzeitungen in puncto Wähleraktivierung Anerkennung und Wertschätzung?
Jörg Eggers: Absolut. Wir bekommen besonders seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sehr viel Zuspruch für unsere Arbeit. Die kostenlosen Wochenzeitungen wurden nicht zuletzt auf Bundes- und Landesebene für systemrelevant erklärt. Leider sind den Absichtserklärungen der Politik bislang noch zu wenige Taten gefolgt. Eine flächendeckende Zustellung mit lokalen Presseprodukten ist ohne eine staatliche Infrastrukturförderung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Als Folge werden wir weiße Flecken in der Berichterstattung sehen und Menschen werden von qualitativem Lokaljournalismus abgeschnitten sein. Das kann von der Politik so nicht gewollt sein – besonders in einer Zeit, die zunehmend von Fake-News und Hetze geprägt ist.
Die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Anzeigenblätter haben sich in den vergangenen Jahren nicht gerade zum Positiven entwickelt. Auch politische Entscheidungen haben dazu beigetragen. Wo steht die Branche heute?
Jörg Eggers: Die Branche steht vor einer Richtungsentscheidung. Es geht dabei um nicht weniger als um die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Versorgung mit Lokaljournalismus. Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Situation der Verlage immer schwieriger. Zum einen wird der Werbekuchen nicht größer, es gibt aber immer mehr Player, die ein Stückchen abhaben möchten. Noch dazu steigen die Kosten für die Produktion und Zustellung der Zeitungen immer weiter. Um das hohe Gut der flächendeckenden Versorgung mit Print-Produkten aufrechtzuerhalten, braucht die Branche deswegen dringend Unterstützung von der Politik.
Auch in der vergangenen Legislaturperiode des Bundestages hat der BVDA gegenüber der Politik immer wieder die Bedeutung der Mediengattung für die Demokratie betont und um Unterstützung angesichts der großen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, geworben. Was konnte der Bundesverband erreichen?
Jörg Eggers: Die kostenlosen Wochenzeitungen und der BVDA haben vor allen Dingen eines geschafft: Die Anerkennung der Branche als systemrelevant für unsere Gesellschaft – und zwar auf Bundes- und Landesebene. Das ist durchaus bemerkenswert und wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.
Mit welchen Forderungen wird der BVDA der neuen Bundesregierung und dem neuen Bundestag gegenübertreten?
Jörg Eggers: Folgende Forderungen hat der BVDA im Vorfeld der Bundestagswahl an die Parteien adressiert: Erstens soll die Mediengattung im Rahmen einer Demokratieförderung finanziell unterstützt werden. Zweitens muss der freie Zugang zu den Briefkästen unbedingt erhalten bleiben. Hier darf es keine zusätzlichen Stolpersteine für die Branche geben. Drittens müssen die Verdienstgrenzen der Minijobs endlich angepasst werden. Und viertens sollten jugendliche Zustellerinnen und Zusteller auch sonntags zustellen dürfen, da sie dort weniger stark im schulischen Kontext eingebunden sind.
Mehr zum Selbstverständnis der Anzeigenzeitungen erfahren Sie auch im Internet auf wir-sind-anders.site.
Autor:Hendrik Stein aus Weißensee |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.