Mal kantig, mal mit viel Farbe
100 Jahre Bauhaus im Heimatmuseum Zehlendorf

Ein futuristisch anmutender Entwurf, der nie realisiert wurde: der Zugang zur Ladenstraße im U-Bahnhof Onkel Toms Hütte.   | Foto: Ulrike Martin
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  • Ein futuristisch anmutender Entwurf, der nie realisiert wurde: der Zugang zur Ladenstraße im U-Bahnhof Onkel Toms Hütte.
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Es gibt sie noch heute, sie sehen modern aus und sind überraschend bequem: Freischwinger-Stühle. Zwei Exemplare sind jetzt im Rahmen der Ausstellung „100 Jahre Bauhaus in Zehlendorf“ im Heimatmuseum zu sehen.

„Eine kleine, aber feine Ausstellung“, sagt Dietmar W. Mietzner, Mitglied im Heimatverein Zehlendorf. Und er hat Recht: Die Besucher erfahren neben allgemeinen Informationen vor allem, wie sich die Bauhausarchitektur und das ebenfalls zur Moderne gehörende Neue Bauen in Zehlendorf entwickelte.

Walter Gropius, Direktor der 1919 in Weimar gegründeten Kunstschule „Bauhaus", entwarf sein erstes Haus in Zehlendorf im Jahr 1921. Es steht in der Wolzogenstraße 17 und verfügt noch über ein weit vorgezogenes Walmdach. Doch der Bau, ein klarer Kubus ohne Sockel, weist bereits auf die kantigen Häuser der späteren Bauhaus-Architektur hin. Weitere Häuser von Gropius sind in der Fischerhüttenstraße 106 und Am Erlenbusch 14a zu sehen.

Ein Paradebeispiel für das Neue Bauen ist die Waldsiedlung Zehlendorf. Bruno Taut entwarf sie 1926 bis 1932 gemeinsam mit Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg. Taut setzte auf Farbe als kostengünstiges Gestaltungsmittel – so entstanden die Fassaden in Blau, Rot, Gelb und Grün – und der Name „Papageiensiedlung“.

Futuristischer Entwurf

In einer Vitrine ist ein bemerkenswerter Entwurf aus den Jahren 1931-1932 ausgestellt. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto ist der Zugang zur Ladenstraße im U-Bahnhof Onkel Toms Hütte zu sehen: Zwei halbrunde, auf hohen Trägern stehende Gebäudeteile umrahmen das Mittelstück des U-Bahneingangs. Die futuristisch anmutende Idee des Architekten Alfred Schild, der unter anderem eine Siedlung in Kleinmachnow plante, wurde nie realisiert.

Ein weiterer bedeutender Name ist Ludwig Mies van der Rohe. Mit Werken wie der Neuen Nationalgalerie in Berlin (1962 bis 1967) schreib Van der Rohe Architekturgeschichte. Er gehörte neben Gropius und Le Corbusier zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts.

Seine 1910 bis 1913 in Zehlendorf errichteten Landhäuser in der Hermannstraße 14 und im Quermatenweg 2-4 zählen zu den Frühwerken. Sie erinnern eher an den klassizistischen Stil und verweisen auf die Vorliebe van der Rohes für seinen bedeutenden Vorgänger Karl Friedrich Schinkel.

"Die Welt neu denken"

Die Ausstellung widmet sich aber auch Architekten, die heute fast vergessen sind. So stehen die Projekte von Willy Karl „Wils“ Eberts stellvertretend für die Wirkung des Bauhausstils nach dem Zweiten Weltkrieg. Ebert entwarf für die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) von 1959 bis 1964 das Bauvorhaben Düppel-Süd. Unter dem Leitbild der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ entstand eine Wohnsiedlung mit zweigeschossigen Einfamilienhäusern, Bungalows und Mehrfamilienhäusern. Ebert schuf auch das Völkerkundemuseum in Dahlem und das Stadion Wilmersdorf. Darüber hinaus machte er sich mit Möbelentwürfen einen Namen.

Auf Schrifttafeln an den Wänden des Heimatmuseums können neben den Zehlendorf-Aspekten allgemeine Infos zum Bauhaus nachgelesen werden. So geht es unter der Überschrift „Die Welt neu denken“ um die Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg, um steigende Mieten und hohe Baukosten. Die Architekten des Neuen Bauens suchten Antworten auf diese Probleme. Wohnungen im Grünen mit Balkon und Garten sollten entstehen. Mit der Einführung der Hauszinssteuer 1924 kam es zu einer raschen Belebung des Wohnungsbaus. Es entstanden gewerkschaftlich-genossenschaftliche, städtische und andere gemeinnützige Baugesellschaften. Sie errichteten unter dem Leitbild „Licht, Luft, Sonne“ Siedlungen im sozialen Wohnungsbau.

„100 Jahre Bauhaus“ im Heimatmuseum Zehlendorf, Clayallee 355, bis Sonntag, 8. September, Öffnungszeiten: Mo und Do 10 bis 18 Uhr, Di und Fr 10 bis 14 Uhr sowie zur Langen Nacht der Museen am Sonnabend 31. August, von 18 bis 1 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist außer zur Langen Nacht frei (18 Euro für alle beteiligten Museen).

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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