Aus dem Alltag eines Paketzustellers

In einer Zeit, in der zunehmend nicht im Geschäft vor Ort gekauft, sondern bestellt wird, spielen Paketzustelldienste eine wachsende Rolle in unserem Leben – und damit die Erfahrungen, die wir mit ihnen machen. Wir haben einmal mit einem Paketzusteller gesprochen, um auch seine Erfahrungen zu zeigen.

Wie waren denn die Tage und Wochen vor Weihnachten für Sie als Paketzusteller, frage ich Can, der seit vielen Jahren bei der großen gelben Firma beschäftigt ist. „Es gab mehr zu tun als sonst, dafür weniger Straßen zu beliefern. Normal sind ein oder zwei Pakete je Haus. In der Weihnachtszeit ist es eine Sackkarre voller Pakete. Aber es machte Spaß, denn da kommen Geschenke, und die Leute sind glücklicher als sonst und strahlen.“

Sechs bis acht Jahre Springer

Nach einigen Versuchen in ganz anderen Berufszweigen entschloß sich Can, ebenso wie sein Vater und sein Bruder zur Post zu gehen. „Da bin ich die ersten zwei Wochen mit einem Zusteller mitgefahren, um die Arbeit kennenzulernen. Und ab dann allein. Am Anfang ist man Springer, also jeden Tag eine andere Tour, immer dort, wo gerade ein Kollege dienstfrei hat oder krank ist. Da muß man jedesmal die Klingelknöpfe suchen und die Stockwerke, alles was man als Stammzusteller auswendig weiß. Alle fangen so an. Wenn man es geschickt anstellt, kriegt man auch mal eine Urlaubsvertretung und kann dann drei Wochen lang Tag für Tag dieselbe Tour fahren. Eine feste Tour gibt es erst nach sechs bis acht Jahren, dann ist man Stammzusteller, so wie ich es jetzt bin.“

Allerdings werden schon jetzt knapp über die Hälfte aller Pakete bundesweit nicht mehr durch reine Paketboten ausgeliefert, sondern mitsamt Briefen und Werbesendungen von ‚Verbundzustellern‘. Diese Verbundzustellung soll wegen der weiterhin sinkenden Briefmenge ab 2025 noch deutlich ausgeweitet werden, so daß es immer weniger klassische Briefträger zu Fuß geben wird. Eine Zwischenstufe ist, daß Briefträger hier auch bis zu 5 kg schwere Pakete zum Empfänger befördern. Insgesamt spielt für die Deutsche Post ihr ursprüngliches Kerngeschäft, nämlich die Zustellung von Briefen und Paketen in Deutschland, nur noch eine untergeordnete Rolle. Denn die Deutsche Post ist seit ihrer 1995 abgeschlossenen Privatisierung zum größten Logistikkonzern auf der Welt geworden und macht dort ihre Gewinne im Expreß- und Frachtgeschäft, vor allem in Asien. Das Deutschland-Geschäft hingegen wird zu dem für 2022 erwarteten 8-Mrd.-Euro-Gewinn nur noch ein Achtel beitragen.

Ein Arbeitstag im Leben eines Paketzustellers

Wie läuft ein Arbeitstag als Stammzusteller ab? „Es geht an der Basis morgens zwischen 7 und 10 Uhr los, je nachdem, in welche ‚Welle‘ man eingeordnet ist. Dort liegt der Versand aus der Hauptverteilerstelle schon bereit, wenn es keinen Stau oder ähnliches gab. Der Hallenwart bringt die Karre mit den Paketen zur Luke an der Rampe. In der Karre sind immer die Pakete für zwei Zusteller. Das Einladen macht jeder selbst, das dauert eine bis eineinhalb Stunden. Die Pakete kommen im Wagen auf Regale, nach Straßen sortiert. Ein normales Paket darf maximal 31,5 Kilo wiegen und 60 mal 60 mal 120 Zentimeter messen. Aber es gibt außerdem Sperrgut, und das können Kühlschränke, Autoreifen, Küchentische, Schränke, Metallregale oder Motorhauben sein, so lange sie eben nicht schwerer als 31,5 Kilo sind. Oder mehrere Nachbarn haben gemeinsam Katzenstreu bestellt, je mehr, desto billiger, und dann sind eben fünf oder sechs Pakete mit zusammen 100 Kilo in einen 3. Stock zu tragen.
Das Austragen ist körperlich anstrengend, den ganzen Tag sich 100- oder 200mal bücken, um Pakete aufzunehmen, und immer wieder Treppen steigen, manchmal im selben Haus erst vorne und dann noch im Seitenflügel. Das merkt man im Laufe der Jahre sehr deutlich in den Knien. Zeitaufwendig wird es, wenn an bestimmten Stellen schon drei oder vier andere Dienste mit ihren Autos stehen, und dann kommt auch noch Müllabfuhr oder Recycling dazu. Das passiert öfters. Oder in einer engen Straße kann ich nicht vor jedem Haus halten, sondern muß von einem Ende aus die Häuser beliefern. Da darf ich nicht alle Pakete auf die Sackkarre laden und von Tür zu Tür fahren und die restlichen Pakete draußen stehen lassen wegen der Diebstahlgefahr. Daher freue ich mich über jede Entlastung, wenn zum Beispiel ein Kunde ans Auto kommt, nach seinem Paket fragt und gleich auch das für den Nachbarn mitnimmt. Am Ende der Schicht geht es zurück zur Basis, das Auto parken, ausladen, abrechnen.“

Scannen, scannen, scannen

Wieso ausladen? Sie haben doch eben Ihre Pakete ausgetragen. Oder meinen Sie die, deren Empfänger nicht da waren? „Die und die in den Postshops abgegeben wurden und die mir von Behörden und Firmen und Privatleuten mitgegeben werden. Also so ungefähr morgens mit 160 bis 180 Paketen raus und abends mit 200 Einlieferungen und Retouren wieder rein.“
Als Kunde sieht man immer in der Hand der Postangestellten einen Scanner. Welche Rolle spielt der im Laufe des Arbeitstages? „Am Morgen hole ich mir zuerst Scanner, Drucker und Navigationsgerät und melde mich auf dem Scanner an. Dann scanne ich vor dem Einladen jedes Paket. Und scanne es beim Ausliefern an den Empfänger oder Nachbarn. Beim Nachbarn wird der Drucker gebraucht, um dem eigentlichen Empfänger eine Email zu schicken oder eine Karte auszudrucken. Die Einlieferungen und Retouren werden auch gescannt. Und wenn Pakete übrigbleiben, weil die Arbeitszeit zuende ist, dann werden sie mit dem Vermerk „Abbruch“ erneut gescannt. Auch die Arbeitspausen werden eingescannt. Und ganz zum Schluss melde ich mich natürlich auf dem Scanner ab.“

Das bietet die Post

Was bietet die Post ihren Angestellten? „Es gibt Kurse für den Umgang mit den Paketen und Fahrtraining, auch Anleitung, wie man sich richtig bückt, um ein schweres Paket hochzuheben – in die Knie gehen und die Wirbelsäule gestreckt halten, um sie zu entlasten. Die Post achtet auf Sicherheit, das ist auch in ihrem Interesse. Sie stellt Sicherheitsschuhe, die in der Basis zu tragen Pflicht ist, falls mal eins von den schweren Paketen runterfällt. Die Post stellt auch die Arbeitskleidung. Zu den Arbeitsschuhen auf der Tour gibt sie einen Zuschuß von 60 Euro. Post und Adidas haben extra einen Schuh entwickelt, dessen Sohle ein ganzes Jahr hält. Bei normalen Turnschuhen ist die Sohle nach drei Monaten durch. Unsere wöchentliche Arbeitszeit ist 38 ½ Stunden. Darin sind täglich 45 Minuten Pause enthalten. Wir haben eine 4½-Tage-Woche, das bedeutet nach dem ‚Schachbrettystem‘ die eine Woche fünf Tage, die nächste vier, dann wieder fünf und so weiter. Die Post zahlt 14 Euro die Stunde. Im Vergleich: bei Aldi sind es 19, bei Kaufland 20. Bezahlte Überstunden von mehr als einer Stunde muß man vorher ansagen. Und es gibt Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Wer vor 2000 eingestellt wurde, bekommt es voll, die anderen weniger.

Was motiviert Sie?

Was hält Sie nach so vielen Jahren körperlich schwerer Arbeit bei der Post? „Früher haben die Leute gern bei der Post gearbeitet. Jetzt wollen viele nicht mehr schwer arbeiten. Das sieht man genauso in anderen Bereichen, zum Beispiel im Supermarkt. Natürlich macht man bei der Arbeit auch schlechte Erfahrungen, zum Beispiel wenn ins Postauto eingebrochen und ein teurer Laptop vom Bestellbetrüger, wie wir ihn nennen, gestohlen wird, um sich hinterher zu beschweren, daß das Gerät nicht gekommen ist. Das passiert bei jedem von uns! Aber ich habe auch viele schöne Erfahrungen mit Kunden, nicht nur in der Weihnachtszeit. Ich glaube, es ist eine Frage der Einstellung. Jedenfalls lache ich viel und bin glücklich bei der Arbeit.“

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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