Das bewegte die Menschen in diesem Jahr im Bezirk
Januar
Er war einmal der Hauptbahnhof von West-Berlin und lange blieb es ungewiss, wann der Bezirk mit einer Sanierung des Bahnhofs Zoologischer Garten rechnen darf. Der erste Monat des Jahres brachte dann die frohe Kunde: Die Sorgenstation wird ab 2015 umfassend saniert, erklärte die Bahn.
Und noch eine erfreuliche Botschaft erreichte Freunde französischer Kultur: Mit dem Abblasen des Umzugs des Maisons de France bleibt die Traditionseinrichtung dem Kudamm dauerhaft erhalten.
Das beherrschende Thema des Jahres prägte die politischen Geschehnisse schon im Januar. So erzwangen Anhänger der Kleingartenkolonie Oeynhausen einen Bürgerentscheid, nachdem man über 12.000 Unterschriften im Sinne der Bewahrung des Geländes vor Wohnungsbau gesammelt hatte.
Derweil kehrten die Mitarbeiter des Polizeiabschnitts 26 in ihr saniertes Quartier an der Rudolstädter Straße zurück - dafür müssen sie nun ein größeres Einsatzgebiet abdecken als zuvor.
Februar
Dass auf den Schildern der Joachimstaler Straße ein "h" fehlt, war schon länger bekannt. Nun entschied sich die Politik dazu, diesen Fehler zu korrigieren.
Uneins blieb man sich bei der Diskussion darüber, ob der Kurfürstendamm autofreie Sonntage verträgt. Was damals noch keiner ahnte: Im Sommer des Jahres sollten die Bürger den Politikern die Entscheidung abnehmen, indem sie den WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft auf den Fahrbahnen feierten.
Erste Anzeichen für Schwierigkeiten beim Rathaus-Leerzug brachte die Nachricht, dass Beamte versuchen, mit Arztattesten eine Einzelunterbringung zu erzwingen. Somit wäre eine Zusammenlegung von Arbeitsplätzen in den verbleibenden Dienstgebäuden kaum möglich.
Für Empörung sorgte außerdem eine Abholzung von Nadelbäumen im Grunewald. Der Senat will den Forst aus ökologischen Gründen wieder in einen Mischwald verwandeln - den Zustand wie vor dem Zweiten Weltkrieg.
März
"CW" heißt Charlottenburg-Wilmersdorf. Doch seit März steht das Kürzel auch für "Creative World". Unter diesem Titel lancierte der Bezirk eine neue Imagebroschüre, die Einheimischen und Gästen die Vorzüge der City West vor Augen führt.
Ebenfalls ansehnlich will die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auch ihre Kapelle gestalten. Sie gab die Sanierung des Kleinods mit Geldern der Wüstenrot Stiftung bekannt. Zugleich erfuhr man aber, dass die Turmruine der Kirche wegen verzögerter Instandsetzungsmaßnahmen noch mehrere Monate eingerüstet bleiben würde.
Stoff zum Streiten sollte die Umgestaltung des Olivaer Platzes das ganze Jahr über liefern. Schon die Präsentation eines Gutachtens im März entfachte den Kampf um die Deutungshoheit. SPD und Grüne sahen sich darin bestätigt, dass 123 Parkplätze wegfallen können. Die CDU las das Papier als alarmierende Prognose, befürchtet seitdem einen Parkplatznotstand.
Alarmstimmung herrschte außerdem im Seniorenclub Cunostraße: Beschwerden gegen die Schließung, bedingt durch zu hohe Mietkosten, blieben jedoch erfolglos. Zum Jahresende erfolgte der Umzug in die Wallotstraße in Grunewald.
April
Am Kudamm öffneten sich die ersten Osterglocken, da präsentierte der Bezirk eine neue Lösung für den Mittelstreifen. Hochbeete sollen die angegrauten Blumenkübel ersetzen, wobei Anrainer für die Bepflanzung Sorge tragen. Eigentlich war ein kompletter Umbau bis zum Jahresende geplant. Doch wegen stark verzögerter Anweisungen der Verkehrslenkung Berlin ist das Ende der Bauarbeiten noch immer nicht in Sicht.
Im April zum Abschluss kam hingegen die Erneuerung des Bikini-Hauses durch die Bayerische Hausbau. Eine neue Concept Mall namens Bikini Berlin öffnete ihre Pforten und Tausende Berliner nahmen die neue Dachterrasse mit Zooblick sogleich in Besitz.
Kurz darauf knallten am Kaiserdamm ebenfalls die Korken. Dort eröffnete die neue Hauptniederlassung von BMW, die sich der Autobauer 65 Millionen Euro kosten ließ.
Weiteres Knirschen beim Rathausumzug war im Frühjahr zu vernehmen. So schlug die Carl-Orff-Grundschule Alarm, weil der Bezirk plötzlich eines ihrer Hortgebäude als Ausweichfläche für jene Bibliothek beansprucht, die das Rathaus Schmargendorf verlassen muss. Auch die Musikschule sollte von dort verschwinden.
Einen Schreck erlebten zudem Freunde des beliebten Weinbrunnens am Rüdesheimer Platz. Wegen Lärmbeschwerden im vergangenen Jahr gab der Bezirk bekannt, dass diesmal ab 22 Uhr Stille herrschen muss. Ein einzelner Anwohner, der eine Kürzung des Veranstaltungszeitraums einklagen wollte, hatte aber keinen Erfolg.
Mai
Ein Trauerspiel und zugleich ein Grund zum Feiern: Mit der Schließung des ICC übernahm der neu erbaute City Cube dessen Aufgaben für das Messegeschäft. Er startete von Beginn an mit voller Auslastung und überließ den Vorgänger einem ungewissen Schicksal. Wie die mehreren hundert Millionen Euro Sanierungskosten zu stemmen sind, ist bis heute noch unklar.
Geld und vor allem Platz sparen ohne Serviceeinbußen wollte der Bezirk mit der Eröffnung eines Bürgeramts in den Wilmersdorfer Arcaden. Das Angebot schlug so gut ein, dass es nun ein neues Problem gab: Spontankunden, die Schlange stehen.
Als die BVV-Ausschüsse vor Ort in der Carl-Orff-Schule tagten, wurde deutlich, wie eng die Platzverhältnisse tatsächlich sind. Bürger nannten das Rathaus-Planspiel nun eine "Reise nach Jerusalem" und verlangten eine Alternative zur Vereinnahmung des Horts.
Das Ergebnis des Bürgerentscheids über den Erhalt der Kolonie Oeynhausen sorgte erneut für Wirbel. 77 Prozent der Bürger stimmten bei einer hohen Wahlbeteiligung mit Ja. Dieser deutliche Erfolg bewirkte zwar nicht die sofortige Rettung, erhöhte aber spürbar den Druck auf die Politik.
Juni
Die Überlastung des neuen Bürgeramts im Shoppingcenter nahm vor den Sommerferien ein derart kritisches Ausmaß an, dass die zuständige Stadträtin Dagmar König (CDU) in Erwägung zog, den Sofortservice für Kunden ohne Termin zu streichen.
Rappelvoll zeigte sich auch der Kurfürstendamm nach den ersten Siegen der deutschen WM-Fußballer. Das große Happy End sollte dann bekanntlich folgen.
Glückseligkeit nicht nur für Geisteswissenschaftler verhieß die erste Nacht der Philosophie im Maison de France.
Alle Lebensalter vor Augen haben werden die Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung Bund an ihrem neuen Arbeitsplatz in der Eisenzahnstraße. Mitte des Jahres feierte die DRV Richtfest auf der Terrasse des 77 Millionen Euro teuren Gebäudes.
Kostspieliger als erwartet: der Leerzug des Rathauses. Im Juni räumte das Bezirksamt ein, dass es wohl eine 776?000 Euro große Finanzierungslücke geben werde, weil die Probleme mit dem Schulhort nicht einkalkuliert waren. Zur Jahresmitte rutschte das Umzugsprojekt damit endgültig in die Krise.
Juli
Das ICC als Shoppingcenter? Diese Vorstellung sorgte erst im Bezirk für Kopfschütteln, dann auch im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Grünen ließen dort von Experten eine kulturelle Nutzung beraten - wahrscheinlicher blieb aber ein Konzept mit großflächigem Einzelhandel.
Die Tage des Aschinger-Hauses an der Joachimsthaler Straße waren im Juli endgültig gezählt, denn Investor Hines verkündete den Abriss und Neubau für das kommende Jahr.
Und auf einmal war die Lösung da: Mit organisatorischem Geschick gelang es dem Bezirksamt doch noch, den Plan zur Umverteilung der Mitarbeiter aus dem Rathaus Wilmersdorf so zu überarbeiten, dass der Hort der Orff-Schule und die Musikschule unberührt bleiben.
Dafür krachte es erneut bei der Debatte, ob die Kolonie Oeynhausen per Veränderungssperre zu retten ist, ohne millionenschwere Schadensersatzforderungen des Investors auszulösen. Das Bezirksamt lehnte eine Veränderungssperre ab und wartet seitdem auf eine Prüfung des Falls durch die Bezirksaufsicht des Senats.
August
Schluss mit Spontankunden in den überfüllten Bürgerämtern. Das entschied der Bezirk. Seitdem müssen Bürger vorab Termine vereinbaren - und dafür mehrere Monate warten. Hier zeigt sich der personelle Sparkurs des Bezirks, der alle Bereiche betrifft, besonders deutlich.
Kritisch in ganz anderer Hinsicht ist das Drogenproblem am Stuttgarter Platz. Am neu anberaumten Runden Tisch baten Anwohner die Politik und die Polizei eindringlich um Hilfe.
Für alle, die darauf spekulieren, dass die Regresssumme zur Entschädigung des Oeynhausen-Eigentümers Lorac überschaubar bleibt, kam im August der Paukenschlag: Ein Wertgutachten im Auftrag des Bezirksamts ergab, dass man mit einer Entschädigungssumme von bis zu 36 Millionen Euro zu rechnen hat. Unterstützer der Gärtner hielten dies für überzogen und kündigten eigene Gutachten an.
Am Rüdesheimer Platz kehrte derweil die sanierte Siegfried-Statue an den Brunnen zurück. Die 40.000 Euro teure Instandsetzung über mehrere Monate gelang nicht zuletzt durch eine Spendensammlung des Vereins Rüdi-Net.
September
Nun wurde es amtlich. Die Joachimsthaler Straße bekam ihr "h" zurück, was der Bezirk und eine Delegation aus dem brandenburgischen Städtchen vor Ort feiern ließen. Zugleich nahm die Öffentlichkeit erstmals vom Look des neuen Hines-Geschäftshauses Notiz. Ein Gipfelstürmer wird es nicht gerade - im Gegensatz zum Hochhaus Upper West, das ganz in der Nähe darauf wartet, dass sein Fundament gegossen ist.
Und wieder regte sich Unmut: Eine neue Initiative um die Schriftstellerin Jenny Schon stellte klar, dass sie den geplanten Wohnungsbau auf der Wiese am Cornelsenweg nicht hinnehmen wird. Also begann Schon mit dem Sammeln von Unterschriften.
Keinen Widerstand gab es gegen die Gedenktafel am früheren Wohnhaus von Marcel Reich-Ranicki in der Güntzelstraße 53. Klaus Wowereit erfuhr zur Einweihung von den Angehörigen sogar, dass der verstorbene Literaturpapst hier seinen ersten Kuss bekam.
Oktober
Völlig überraschend präsentierten die AG City einen Wolkenkratzer-Entwurf unter dem Arbeitstitel "Hardenberg". Das 209 Meter hohe Gebäude am Bahnhof Zoo würde selbst das Waldorf Astoria zur halben Portion erniedrigen. Doch Bezirk und Senat winkten ab - denn der Ort sei ungeeignet und die Investorensuche aussichtslos.
Euphorie kam dann doch noch auf: Die Fotostiftung C/O Berlin eröffnete ihren neuen Sitz im Amerika-Haus und feierte mit den Fotografenlegenden der Agentur Magnum.
An dem Ort, wo einst ein Güterzug Richtung Konzentrationslager abfuhr, sprach Margot Friedländer Worte, die Gäste einer Holocaust-Gedenkveranstaltung zu Tränen rührten. An diesem Tag sah man das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald bedeckt mit Rosen.
Ebenfalls in Grunewald befindet sich ein Objekt, das wieder in den Besitz des Landes Berlin übergehen soll. Das Gelände der früheren NSA-Abhörstation auf dem Teufelsberg, so erfuhr man zum ersten Mal, soll nach einem Rückkauf entwickelt werden.
November
Endlich wieder frei von Gerüsten präsentierte sich der Alte Turm der Gedächtniskirche - nach mehrmonatiger Verzögerung endete damit die Sanierung. Dafür steckt nun der Glockenturm hinter Gittern.
Mit gewissen Zukunftssorgen blickt man derweil auf die Stadteilbibliothek am Halemweg. Die Abgabe an einen freien Träger war nach beherzten Diskussionen im November allerdings vom Tisch.
Rein äußerlich wirkt das Schoeler-Schlösschen in der Wilhelmsaue fast makellos - für die Ertüchtigung des Inneren braucht der Bezirk allerdings Stiftungsgeld, und zwar dringend. Das war die Botschaft, mit der Immobilienstadträtin Dagmar König (CDU) im November Sorgen entfachte.
Denen, die sich über mögliche Baumfällungen auf dem Olivaer Platz erzürnen, war eine andere Versammlung gewidmet. Der Umbau könne nun doch baumschonender vonstatten gehen, hieß es. Ohne einen groß angelegten Umbau gibt es allerdings kein Fördergeld.
Dezember
Das Geld wohnt bald am Ernst-Reuter-Platz. Diese Nachricht vermittelte die Deutsche Bank beim ersten Spatenstich ihres Neubaus.
Und noch ein namhafter Akteur nahm den Spaten in die Hand: Die Deutsche Bahn begann mit ersten Arbeiten zur Sanierung der "Zoo-Terrassen" und vollzog damit den Startschuss für die Bahnhofssanierung.
Ob die Theater am Kudamm Karree eine Zukunft haben, war zum Jahresende fraglicher denn je. Denn was der neue Eigentümer für Pläne hegt, hat er noch nicht verraten.
Nun ist es amtlich: Über 2000 Bürger setzten ihre Unterschrift auf den Einwohnerantrag, der eine sanfte Erneuerung des Olivaer Platzes fordert - ohne Totalumbau und Parkplatzschwund.
Der gleiche Erfolg gelang der Initiative zur Rettung der Cornelsenweg-Wiese. Auch hier präsentierten die Verantwortlichen mehr als 2000 Unterschriften, die zum Überdenken des Bauvorhabens zwingen.
Aber immerhin schloss sich, was die Aufgabe des Rathauses anbelangt, zum Jahresende der Kreis. Die Punktlandung zu Silvester ist geglückt.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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