Personal in der Bahnhofsmission bekommt Verstärkung
Um die Mittagszeit trägt Dieter sein schiefes Lächeln durch die Jebensstraße, schreitet über Lachen von Urin, trifft Kostgänger, deren Namen auf keinen Ausweisen mehr geschrieben stehen. Menschen, die lange schon keine Adresszeile mehr ausfüllen könnten - genau wie er. Und dann steht Dieter vor der Tür, die niemals und für niemanden schließt. Hier ist er immer willkommen, hier in der Bahnhofsmission der Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo. Dieter tritt ein. Mittagessen.
So weit also nichts Neues für mittellose Gäste. Für sie soll alles bleiben, wie es ist. Weil es aber immer mehr Menschen wie Dieter gibt, muss in der Bahnhofsmission vieles anders werden. Also sitzen vier Neulinge am Tisch mit dem anderen Dieter, Dieter Puhl, dem Leiter des Hauses. Sitzen zusammen, beratschlagen sich und finden langsam in ihre Rollen.
242 000 Euro gibt es jährlich vom Senat, weitere Zuwendungen von der Deutsche Bahn. Doch dass Julia, Iga, Iris und Manuela auf Puhls Lohnliste stehen, verdanken sie maßgeblich den Buchungen, die nicht regelmäßig auf dem Konto erscheinen: Spenden.
Wer sind die Neuen? Da ist Julia Häcker, 25 Jahre alt, Sozialarbeiterin, Absolventin der Alice-Salomon-Hochschule. Sie lebt die Obdachlosenhilfe wie kaum eine andere, radelt jeden Tag aus Lichtenberg an den Ort, wo man sie braucht. Ihr Geschäft ist die mobile Einzelfallhilfe, der Beistand für jene, die den Rand der Gesellschaft gefährlich weit überschritten haben.
Ihr gegenüber: Iga, 23 Jahre, studierte Ethnologin, fürsorgerische Helferin. Sie übernimmt die Schichtleitung und lädt damit in jungen Jahren viel Verantwortung auf ihre Schultern. "Ich plane Arbeit für unsere Ehrenamtlichen, versuche unseren Gästen eine Unterkunft zu verschaffen." Ein wichtiger Vorzug Igas: Sie kann sich mit polnischen Gästen muttersprachlich verständigen. "Da haben wir Riesenbedarf", sagt Puhl. Folglich sind ihm ehrenamtliche Helfer mit osteuropäischer Sprachkompetenz herzlich willkommen.
Aber nicht alle wissen von vornherein von ihren sozialen Kompetenzen. Iris Nowicki war Handelsvertreterin. Jetzt startet sie mit 47 Jahren ebenfalls als fürsorgerische Helferin, nennt es "meinen Traumjob". Und schließlich sitzt da die 50-jährige Manuela, nach Jahren in einer Drittel- und Halbtagsstelle nun auf 100 Prozent. Wann ist der Joghurt wirklich abgelaufen? Wie wird Bekleidung sinnvoll sortiert? Als hauswirtschaftliche Leiterin weiß Manuela Bescheid.
Aber dann gibt es Situationen, denen keine der vier wirklich gewachsen ist. Momente, für die Dieter Puhl gerne eine fünfte Person verpflichten würde. Eines Tages, hofft er, wird eine psychiatrische Fachkraft mit an diesem Tisch sitzen, im Büro, über dessen Dach die S-Bahnen donnern. Denn nicht bei allen, die als hungrige Gäste kommen, verschwindet ungehobeltes Benehmen mit dem Hunger. Nicht alle kommen in die Jebensstraße wie der lächelnde Dieter.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.