Vom Tropfen und dem vollen Fass
Stadtbad Charlottenburg: Schließung der Neuen Halle verschärft Schwimmbad-Notstand in Berlin
Wegen massiver Korrosionsschäden an der Unterdecke musste kürzlich die Neue Halle des Stadtbades Charlottenburg geschlossen werden. Die Berliner Bäder-Betriebe rechnen frühestens im Februar 2020 mit der Wiedereröffnung, der Verband der Berliner Bäderbesucher will selbst daran nicht so recht glauben.
Die 1974 gebaute Neue Halle an der Krumme Straße 9 ist seit 7. November dicht. Eine nach unten gewandte Ausbeulung der Decke war der Anlass für einen Gutachter, den Bereich zwischen Dach und Unterdecken-Konstruktion zu untersuchen. Dabei stellte er großflächig Rost fest, Teile hatten sich bereits gelöst und waren auf die Decke gefallen – der Grund für die Beule. „Es bestand aber zu keiner Zeit Gefahr für die Besucher“, versicherte eine Sprecherin der Berliner Bäder-Betriebe. Seit dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall müssten auch die Berliner Schwimmhallen alle sieben Jahre verpflichtend auf Herz und Nieren geprüft werden. Zuletzt sei das 2015 geschehen. In den vergangenen vier Jahren muss sich der Rost dann offenbar durch das Metall gefressen haben. „Denn bei dieser Prüfung war noch alles in Ordnung“, sagt die Sprecherin. Aus Sorge um irgendwann herab fallende Teile oder gar den Einsturz des gesamten Daches wurde das Bad jedenfalls geschlossen.
Die Neue Halle erfreut sich wegen seiner 50-Meter-Bahn bei Sportschwimmern großer Beliebtheit, außerdem wurde sie auch für das Schulschwimmen und von Vereinen genutzt. Deshalb weiteten die Bäder-Betriebe daher in der benachbarten Alten Halle in der Krumme Straße 10 umgehend die Öffnungszeiten aus: Das Bad ist vorerst täglich von 6.30 bis 8 Uhr für Frühschwimmer geöffnet, abends kann an fünf Tagen pro Woche bis 22 Uhr geschwommen werden. An den Wochenenden ist von 6.30 bis 22 Uhr geöffnet, bislang war nur von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Diese schnelle Reaktion rechnet Bianca Tchinda den Berliner Bäder-Betrieben hoch an. „Ein Novum“, wie sie sagt, „denn vor zwei Jahren wäre bestenfalls für das Schulschwimmen eine Alternative gesucht und irgendwo eine Bahn für den Vereinssport frei gemacht worden. Ansonsten wäre nichts passiert.“
Die Vorsitzende des Verbandes der Berliner Bäderbesucher (VdBBB) macht dafür den öffentlichen Druck verantwortlich, den ihr Verband wegen der allgemein unbefriedigenden Situation für die Berliner Schwimmer bewusst ausübe. „Wir haben da über meinen Blog und auf den Social-Media-Kanälen ein sehr gutes Standing“, sagt Tchinda, selbst Schwimmerin seit 50 Jahren.
Die Alternative Alte Halle sei sicher nicht optimal. Die Reaktion der Bäder-Betriebe sei dennoch sehr positiv. Tchinda und ihre Mitstreiter ärgern sich auch weniger über einen Einzelfall, als vielmehr über die Gesamtsituation: „36 Bäder gibt es in Berlin, sechs davon wurden übergangsweise geschlossen. Geht man von zehn Mitarbeitern pro Halle aus, was wenig wäre, müssten 60 gerade zur Verfügung stehen. Wo sind die?“, fragt sie. Mit ihnen könnten Öffnungszeiten verlängert oder Bäder, die das gesamte oder teilweise Wochenende geschlossen hätten – wie das Bad in der Fritz-Wildung-Straße in Wilmersdorf, das sonntags geschlossen ist, oder die Stadtbäder Tempelhof und Spandau-Nord, die sonnabends und sonntags zu blieben –, geöffnet werden.
Von einem „Schwimmbad-Notstand“ spricht die VdBBB-Vorsitzende und fordert die Politik auf, selbigen zu beheben. „Wir brauchen Zweckbauten. Da gibt es Traglufthallen oder Leichtkonstruktionen mit einer relativ hohen Lebensdauer bei geringen Kosten und kurzer Bauzeit“, sagt Tchinda.
Der Wiedereröffnung des Charlottenburger Bades im Februar oder März kommenden Jahres steht sie aus Erfahrung skeptisch gegenüber. „Im Kombi-Bad Spandau-Süd wurde 2010 der gleiche Schaden festgestellt – es blieb bis 2015 geschlossen.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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