"Skepsis und Desinteresse haben zugenommen"
Martin Kesting über die EU, Europawahl und Europa im Bezirk

Europa ist nicht immer kinderleicht zu verstehen, weiß auch Martin Kesting. | Foto: Thomas Frey
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Martin Kesting ist EU-Beauftragter im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Gerade vor einer Europawahl ist er ein interessanter Gesprächspartner. Seine Einschätzungen klangen allerdings schon einmal optimistischer, stellt Berliner-Woche-Reporter Thomas Frey im Interview fest.

Wie würden Sie Ihren Job beschreiben?

Martin Kesting: Ich berate und helfe beim Bewerben und Beantragen von Fördermitteln aus Töpfen der Europäischen Union. Im Rahmen des Projektmanagements bin ich auch für die Planung, Begleitung und Durchführung von bezirklichen EU-Projekten verantwortlich. Dazu gehört, dass die Gelder korrekt verwendet werden.

Eine weitere Aufgabe ist die Zusammenarbeit mit den anderen EU-Beauftragten der Bezirke und auf Landesebene. Wir vertreten die Bezirke in unterschiedlichen Gremien. Nach außen, etwa in Richtung Brüssel, aber auch innerhalb Berlins. Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen sind ebenfalls ein wichtiges Feld. Darüber hinaus unterstütze ich den Bezirk bei der Pflege und Entwicklung internationaler Beziehungen, zum Beispiel durch die Organisation von Fachaustausch.

Wie viel EU-Geld fließt eigentlich nach Friedrichshain-Kreuzberg?

Kesting: Eine Frage, die gerade auch die Bezirkspolitik stark interessiert und deshalb haben wir das aktuell zusammen gestellt. (Kesting legt eine mehrseitige Antwort samt Liste von Projekten und Bauvorhaben auf den Tisch, die in der Förderperiode 2014 bis 2020 von der EU unterstützt werden.) Grob zusammengerechnet ergibt sich eine Summe von Minimum 15 Millionen Euro. Hier aufgenommen sind auch nur die Projekte, bei denen der Bezirk Antragsteller oder Mitinitiator ist. Dazu kommen noch weitere Mittel, die zum Beispiel an freie Träger und Unternehmen gehen. Auch die sogenannten Aktionsprogramme sind nicht aufgeführt.

Friedrichshain-Kreuzberg profitiert also ziemlich vom Geld aus Brüssel. Haben Sie den Eindruck, das ist allgemein bekannt?

Kesting: Zumindest nicht überall. Und aktuell wird immer wieder die Frage gestellt, ob diese Zuwendungen überhaupt noch benötigt werden. Berlin geht es ja inzwischen finanziell weitaus besser als noch vor einigen Jahren.

Aber niemand weiß, ob das immer so bleibt...

Kesting: Darauf machen auch Leute aufmerksam, die finden, die EU-Mittel sollten weiter abgerufen werden. Auch wenn das manchmal ein ziemlicher Aufwand ist.

Das beginnt schon beim Stellen der Anträge. Das Geld gibt es nur unter bestimmten Vorgaben, und für jeden Euro EU-Förderung muss als sogenannte Kofinanzierung ein Euro aus öffentlichen oder privaten Mitteln dazu gepackt werden. Die EU setzt außerdem eng gefasste Schwerpunkte. In der neuen Förderperiode von 2021 bis 2027 sind das voraussichtlich die Themen Beschäftigung, Bildung und Ausbildung, Förderung sozialer Integration und sozialer Innovation. Allerdings ist jetzt schon ist klar, dass künftig viel weniger Mittel nach Berlin fließen werden.

Was entgegnen Sie EU-Gegnern, die gerne vorrechnen, Deutschland bezahle ohnehin viel mehr Geld in den Gemeinschaftstopf, als es von dort zurückbekommt?

Kesting: Dass das zwar richtig ist, aber Deutschland auf andere Weise, wahrscheinlich wie kaum ein anderes Land, von der Europäischen Union profitiert. Vor allem beim Export, Stichworte Binnenmarkt und Handelsüberschuss. Aber genau das ist das Problem, dass eher die Anti-Haltung die Debatte bestimmt. Die findet sich ganz rechts, aber nicht nur dort.

Insgesamt haben Skepsis und Desinteresse zugenommen. Wie die EU manchmal funktioniert ist schwer verständlich und oft kaum nachvollziehbar. Aber immer stellt sich die Frage, was wäre die Alternative und wäre die besser?

Warum soll sich jemand an der Europawahl beteiligen?

Kesting: Vor allem um das EU-Parlament zu stärken. Es stimmt ja ebenfalls, diese Volksvertretung ist bisher kein vollwertiges Parlament und hat wahrscheinlich weniger Rechte als die BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Aber nur, wenn viele zur Wahl gehen, kann sich das ändern.

Ihre Prognose: Wo wird die Europäische Union in fünf Jahren stehen?

Kesting: Es wird sie auch dann noch geben. In welchem Zustand, weiß heute niemand.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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