Selbst ernannte Richter
Einschüchterungsversuche aus der Rigaer Straße

Lange Zeit konnte sich die Rigaer94 auf ein gewisses Wohlwollen, auch im Kiez, stützen. Die Drohungen und Einschüchterungen gegen Amts- und Privatpersonen, gehen, nach Einschätzung von Szenekennern, inzwischen aber auch manchen Sympathisanten zu weit.   | Foto: Thomas Frey
  • Lange Zeit konnte sich die Rigaer94 auf ein gewisses Wohlwollen, auch im Kiez, stützen. Die Drohungen und Einschüchterungen gegen Amts- und Privatpersonen, gehen, nach Einschätzung von Szenekennern, inzwischen aber auch manchen Sympathisanten zu weit.
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Am 28. August marschierten zwischen zehn und 15 Personen in das Dienstgebäude der Justizverwaltung in Schöneberg, einige davon anscheinend noch minderjährig. Sie verteilten Flugblätter und wurden im Büro eines Referatsleiters vorstellig. Der ist zuständig für die Situation Inhaftierter in den Berliner Gefängnissen.

Die Ereignisse markierten einen weiteren Höhepunkt im Konflikt um die Rigaer Straße. Denn die Eindringlinge bezeichneten sich als "Soligruppe für Isa und Nero", was vor allem den Bezug zur Hausnummer 94, herstellt. "Nero" wurde im Herbst 2017 verurteilt, weil er bei einem Polizeieinsatz einen Hubschrauber mit einem Laserpointer geblendet hatte. "Isa" sitzt in Haft, weil er im März vor einer Bäckerei einen Mann zusammengeschlagen haben soll. Auch der Angriff auf einen Polizisten wird ihm zur Last gelegt. Für ihre Unterstützer sind sie aber nicht Täter oder Tatverdächtige, sondern Opfer.

Und der Beamte ist nach dieser Lesart ausführendes Organ des "Systems". Entsprechend scheint auch die Konfrontation verlaufen zu sein, die mit wenig Phantasie als Bedrohung anzusehen ist. Die Gruppe konnte verschwinden, ehe die Polizei in der Justizverwaltung eintraf.

Als "Denkhilfe" wäre die Visite in Schöneberg gedacht gewesen, heißt es unter anderem in einem Bekennerschreiben. In einem weiteren Schriftstück wird dazu aufgefordert, "Zuständige für Knast, Repression und Ausbeutung zu besuchen."

"Kiezverbote" und "Kiezgericht"

Es ist nicht der erste Fall versuchter Einschüchterung im Umfeld der Rigaer 94. Wer sich nicht szenekonform verhält, scheint schnell ins Visier zu geraten. Etwa Menschen, die nach der "Isa" zur Last gelegten Tat die Polizei riefen. Sie wurden unter anderem dazu aufgefordert, sich einem "Kiezgericht" zu stellen. Auch "Kiezverbote" für manche Personen sprechen diese selbst ernannten Richter gerne aus. Vorkommnisse, die inzwischen mit Begriffen wie "Terrorismus" oder "Paralleljustiz" bewertet werden.

Seit wann dieses von "wahrscheinlich linksextremistischen Bewohnern aus der Rigaer Straße 94" ausgehende Verhalten dem Bezirksamt bekannt sei und wie es bewertet werde, fragte der CDU-Fraktionsvorsitzende Timur Husein am 29. August in der BVV. Kenntnisse gebe es nur durch entsprechende Berichte, erklärte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne). Sie betonte gleichzeitig, dass das Bezirksamt jeglichen Versuch, Menschen zu bedrohen und mundtot zu machen "auf das Schärfste" ablehne. Für die Rigaer Straße gelte das ebenso wie anderswo.

Kontakt zu den Betroffenen – die Bürgermeisterin sprach in diesem Zusammenhang von einer Betroffenen – gebe es aber nicht, weil dort die Anonymität gewahrt bleiben soll. Dafür berichtete sie von einem Gespräch einige Tage zuvor mit Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Nach deren Aussage, so Herrmann, wäre es in der Rigaer Straße derzeit eher ruhig.

Das mag für zuletzt weniger Großeinsätze ihrer Beamten gelten. Für manches andere dagegen nicht.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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