"Initiative Verkehr Spandau-Süd" will mitreden
"Hier herrscht viel Verdruss"
Gatower und Kladower haben die „Initiative Verkehr Spandau-Süd“ gegründet. Sie wollen ein Mitspracherecht beim Straßenausbau. Was sie noch vom Bezirksamt und der Senatsverkehrsverwaltung erwarten, darüber sprachen Wolfgang Lohrer und Reinhard Große Sudhoff mit Volksblatt-Reporterin Ulrike Kiefert.
Wann und warum hat sich die Initiative gegründet?
Wolfgang Lohrer: Das war nach einer Bürgerversammlung Ende Juni 2018 in Gatow. Damals sollten die Gatower Straße und der Kladower Damm für den Ausbau des Havelradwegs sechs Monate lang zur Einbahnstraße werden. Da waren Staus vorprogrammiert, mit massiven Folgen für die Anwohner, aber auch für die Feuerwehr, Arztpraxen, Geschäfte, Kitas und Schulen. Vom Beginn der Baumaßnahme hatten wir kurzfristig nur aus der Zeitung erfahren. Deshalb kritisierten viele Gatower und Kladower die fehlende Kommunikation seitens des Bezirksamtes mit uns Bürgern.
Das Bezirksamt hat den Ausbau des Havelradwegs dann gestoppt. Warum hat sich die Initiative da nicht wieder aufgelöst?
Wolfgang Lohrer: Weil nicht klar war, ob die Baumaßnahme damit endgültig vom Tisch ist. Deshalb haben wir uns gesagt, wir müssen aktiv bleiben, wenn wir diese unsinnige Vorgehensweise verhindern wollen. Unsinnig ist sie auch, weil die Straße mittelfristig ohnehin grundsaniert werden soll. In Gatow und Kladow sehen wir uns einer dramatischen Verkehrssituation ausgesetzt, weshalb hier viel Verdruss herrscht. Straßenabschnitte werden aufgerissen, Baustellen und mobile Ampeln eingerichtet, ohne dass wir Anwohner zuvor davon erfahren. Ist eine Baumaßnahme fertig, geht es an der gleichen Stelle plötzlich wieder los und keiner weiß, warum. Wir haben Verständnis dafür, dass Straßen saniert werden müssen und es Einschränkungen für den Verkehr gibt. Nur, wir wollen es vorher wissen, die Gründe verstehen und wenn nötig sinnvolle Alternativen einbringen.
Reinhard Große Sudhoff: Besonders groß war der Ärger zum Beispiel über die sechswöchige Sperrung auf der Gatower Straße ab Groß-Glienicker Weg in Richtung Kladow. Oder bei der letzten Baustelle auf der Gatower Straße zwischen Biberburg und Haveldüne 2017/18. Dort sollten 800 Meter Straße in 16 Bauabschnitten saniert werden.
Was will Ihre Initiative konkret?
Wolfgang Lohrer: Wir wollen stellvertretend für alle Gatower und Kladower in die Straßenbau-Planungen der Senatsverkehrsverwaltung und des Bezirksamtes einbezogen werden und zwar sofort. Warum? Weil wir mit dem Straßenausbau viele Probleme erwarten, über die wir uns mit den Behörden verständigen wollen, um sinnvolle Lösungen zu finden. Unsinnige Tiefbaumaßnahmen sollten beispielsweise unbedingt vermieden werden. Und wir fordern, dass der Verkehrsfluss für alle Verkehrsteilnehmer, also Busse, Autos, Lkw, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt optimiert und dies bei den Planungsvorgaben des Senats berücksichtigt wird. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei auf den übergeordneten Straßen in Spandau Süd, wo der Senat plant und der Bezirk die Baumaßnahmen umsetzt. Also von der Gatower Straße über den Ritterfelddamm bis zur Potsdamer Chaussee. Als Initiative sind wir übrigens parteiunabhängig. Wir wollen die Interessen aller vertreten und nicht die Wünsche einzelner Gruppen.
Die Interessen aller unter einen Hut zu bringen, ist aber gerade beim Straßenbau schwierig. Der eine will einen Radweg, der andere lieber Parkbuchten und so weiter.
Reinhard Große Sudhoff: Um individuelle Probleme geht es uns nicht. Wir wollen, dass die Baustellenorganisation bei allen Straßenbaumaßnahmen, die in den nächsten zehn Jahren hier geplant sind, möglichst ohne unzumutbare Bedingungen abläuft, also zügig und ohne lange Straßensperrungen gebaut wird. Dass das geht, wenn Anwohner Druck machen, hat sich schon gezeigt. Beim Straßenbau zwischen Biberburg und Ortsrand auf der Gatower Straße zum Beispiel. Nachdem wir Anwohner Unterschriften gesammelt hatten, wurde der Abschnitt in nur zwei Wochen fertig saniert. Hier hat also der Bürgerwille zum Erfolg geführt.
Was sind Ihre nächsten Aktivitäten?
Wolfgang Lohrer: Schwierigkeiten kommen, wenn ab 2021 die Gatower Straße zwischen Weinmeisterhornweg und Heerstraße grundsaniert wird. Große Probleme erwarten wir dann mit dem Ausbau des Ritterfeldamms, der etwa 2024 beginnen soll. Hier gilt es, besonders genau hinzuschauen. Die Planungsvorgaben der Senatsverkehrsverwaltung sehen dort eine Regenentwässerung und für beide Fahrtrichtungen einen Gehweg und Radweg vor. Dafür ist der Ritterfelddamm aber in Teilen nicht breit genug. Außerdem liegen zum Ausbau nötige Grundstücke im Privatbesitz. Auf eine Einbahnstraßenregelung wird man beim Ausbau wohl nicht ganz verzichten können. Die Abbiegemöglichkeit in die Selbitzer Straße wäre etwa zu prüfen, da von Osten abbiegende Autofahrer den Ritterfelddamm an diesem Nadelöhr blockieren werden. Grundsätzlich sollte eine durchgehende Einbahnstraßenregelung vermieden werden zugunsten einer Ampellösung, die den Verkehr abwechselnd durchlässt. Ein neuralgischer Punkt ist auch die Einmündung des Ritterfelddamms in die Potsdamer Chaussee. Wegen der Linksabbieger staut es sich dort jetzt schon regelmäßig zurück. Mit dem Wohnungsneubau im brandenburgischen Krampnitz wird der Verkehr zu uns und wieder zurück erheblich steigen. Deshalb sollte zum Beispiel ein Kreisverkehr oder eine optimale Alternative an der Einmündung den Verkehr steuern. Wir wollen wissen, wie lange die Baumaßnahme dauert, und wie die Baustelle organisiert wird.
Warum glauben Sie mehr Fachwissen zu haben als das Tiefbauamt oder die Verkehrsplaner im Senat?
Reinhard Große Sudhoff: Wir glauben nicht, dass wir schlauer sind. So größenwahnsinnig sind wir nicht. Aber wir haben viel bessere Ortskenntnisse als die Verkehrsplaner im Senat, und wir bringen spezifische Erfahrungen neben Fachwissen mit. Zudem achten betroffene Bürger naturgemäß genauer und sensibler auf mögliche Probleme. Ich selbst habe vier Jahre im Bauausschuss der BVV als Bürgerdeputierter gesessen. Herr Lohrer ist Experte im Umweltschutz, wir haben einen Bauingenieur dabei und Leute, die sich im Baurecht auskennen. Wir sind keine „Gelbwesten“, wir wollen niemanden vorführen. Aber wir wollen mitdiskutieren und mitentscheiden. Die Gatower und Kladower haben sich viel zu lange so einiges gefallen lassen beim Straßenbau.
Wolfgang Lohrer: Uns geht es um konstruktive Gespräche mit dem Bezirksamt, der Senatsverkehrsverwaltung und der Verkehrslenkung Berlin. Mit dem Bezirksamt ist uns das bereits gelungen. Wir hatten im November einen offenen Meinungsaustausch mit Baustadtrat Frank Bewig (CDU) und dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes Michael Spiza zu den Verkehrswegeplanungen im Süden und werden ihn fortsetzen. Auch mit Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) wollen wir sprechen.
Wie viele sind Sie eigentlich?
Wolfgang Lohrer: Zum aktiven Kreis gehören 16, dazu haben wir rund 200 Kontakte. Engagierte Spandauer mit einem langen Atem können uns sehr gerne unter wolfgang.lohrer@web.de unterstützen. Denn wir werden ganz sicher nicht arbeitslos. Der Straßenbau und die wachsende Verkehrsdichte begleiten uns mindestens noch die nächsten zehn Jahre. Wir müssen also weiter Druck ausüben auf die planende Senatsverwaltung und das bauende Bezirksamt. Wir werden auf Probleme hinweisen und Lösungen diskutieren. Die Baustellenorganisation bleibt dabei unser Kernthema. Und wir werden immer wieder die Bürgerbeteiligung einfordern. Dass das Bezirksamt beim Straßenausbau rechtzeitig mit uns Bürgern sprechen und unsere Anregungen aufnehmen soll, hatten die Bezirksverordneten im Juli 2018 beschlossen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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