Bauprojekte Blücher- und Ohlauerstraße: Eskalation im Stadtplanungsausschuss
Kreuzberg. Nicht nur in Fernsehstudios reißt es mittlerweile ein, dass Gäste aus einer Talkrunde laufen. Auch im Stadtplanungsausschuss gab es in der ersten Sitzung nach der Sommerpause einen ähnlichen Auszug.
Der Grünen-Bezirkverordnete Andreas Weeger verließ das Gremium, nachdem er zuvor eine "unerträgliche Atmosphäre" beklagt hatte. Konkret machte er das vor allem an den Äußerungen des SPD-Bürgerdeputierten Volker Härtig fest. Auslöser für den aktuellen Krach waren einmal mehr zwei bekannte Aufreger, nämlich die beiden geplanten Bauvorhaben an der Blücherstraße 26 sowie auf dem Gelände der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule an der Ohlauer Straße.
Beim Thema Blücherstraße hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vor der Sommerpause einem etwas veränderten Einwohnerantrag zugestimmt, der von der Initiative für den Kiezerhalt auf den Weg gebracht worden war. Darin wird unter anderem ein möglichst weitgehender Erhalt des Gartendenkmals im Zuge der künftigen Bebauung verlangt.
Wie mehrfach berichtet, wollen auf dem Gelände die beiden Träger Vita und Jugendwohnen im Kiez Wohnungen, unter anderem für betreute Jugendliche, errichten. Dieses Vorhaben wird auch im Einwohnerantrag noch einmal bekräftigt, gleichzeitig aber mögliche Veränderungen an der bisherigen Architektur sowie eine Bürgerbeteiligung verlangt.
"Findungsgespräch" statt Bürgerbeteiligung
Das sei allerdings nicht passiert, beklagte die Initiative. Vielmehr hätten bei einem sogenannten "Findungsgespräch" am 20. Juli auf Einladung von Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Grüne) "Sachzwänge" dominiert. Die Eigentümer hätten auf schnelle Genehmigungen gepocht, ansonsten mit Klagen gedroht. Dem geplanten Bau einer Kita an der Ecke Blücher- und Schleiermacherstraße hat der Stadtrat zwei Tage nach dem Treffen stattgegeben und das mit der rechtlichen Situation begründet. Ansonsten wäre die Frist abgelaufen. Auch der Antrag für ein weiteres Gebäude soll wohl genehmigt werden. Im Gegenzug hätten sich die Bauherren bereit erklärt, über die beiden weiteren vorgesehenen Vorhaben im Rahmen einer umfassenden Bürgerbeteiligung zu reden, erklärte der Stadtrat und wertete das als einen gewissen Erfolg. Zumal Vita und Jugendwohnen auch den Weiterverkauf des Areals und damit einen Abschied von diesem Projekt ins Spiel gebracht hätten. Das müsse aber schon wegen der dann ungewissen Zukunft verhindert werden.
Mehrere Vertreter im Ausschuss sahen das etwas anders. Sie bemängelten unter anderem, dass das bisherige Vorgehen weit hinter den Forderungen des Einwohnerantrags zurückbleibe. Ein unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindendes "Findungsgespräch" habe wenig mit einer umfassenden Bürgerinformation zu tun. Und die Rückzugsdrohungen wurden eher als Erpressungsversuch gewertet.
Projektabbruch: Gefahr oder Chance?
Ähnlich wie beim zweiten Fall, der Ohlauer Straße. Dort gibt es ebenfalls schon lange Kritik an der Architektur des "Campus Ohlauer" genannten geplanten Neubaus. Der Komplex, in den einmal mehr als 400 Menschen wohnen sollen, zum Beispiel Flüchtlingsfamilien, obdachlose Frauen und ihre Kinder oder Studenten, sei viel zu massiv, die einzelnen Wohnungen zu klein und das gesamte Vorhaben ohne große Beteiligungsverfahren durchgepeitscht worden, so die Gegner. Deshalb verlangt auch in diesem Fall ein BVV-Antrag Änderungen.
Anscheinen erfolglos. Vielmehr drohe nach Angaben von Florian Schmidt der Bauherr, die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, mit einer Aufgabe. Das wurde von einigen Bezirksverordneten erst recht nicht als Gefahr, sondern eher als Chance aufgefasst. Dann wäre nach ihrer Meinung der Weg vielleicht frei für bessere Planungen.
Unterstellungen und Vorwürfe
Gegen solche Einschätzungen stehen vor allem die Grünen. Sie sehen beide Vorhaben als wichtige Sozialprojekte, deren Realisierung ohnehin bereits viel zu lange dauere. Die Haltung der Bündnispartei war deshalb nicht zum ersten Mal Anlass für Angriffe speziell des Bürgerdeputierten Härtig. Der Sozialdemokrat ließ erneut anklingen, ob der Grüne Einsatz speziell in Sachen Blücherstraße vielleicht auch intensiven persönlichen Kontakten, vor allem von Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne), zu den beiden Trägern geschuldet sei.
Unterstellungen, die Andreas Weeger in Rage brachten. Solche ehrabschneidenden Vorwürfe kämen ausgerechnet von jemanden, der einen Ruf als Lobbyist der Baubrache habe, keilte er zurück. Und dass der Ausschussvorsitzende John Dahl (SPD) solche und andere Attacken durchgehen ließe, war, wie insgesamt das Sitzungsklima, weiterer Anlass für seinen Auszug aus dem Ausschuss. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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