Ausstellung beschäftigt sich mit diskriminierender Werbung
Deutlich wird das an der Ausstellung "Kauf mich", die bis 24. Oktober im Rathaus Kreuzberg zu sehen ist. Die Schau, konzipiert im Auftrag der Gleichstellungsbeauftragten in Dresden, soll einige besonders verachtenswerte Fundsachen von nicht hinehmbarer Reklame zeigen. Also deutlich machen, wo künftig auch in Friedrichshain-Kreuzberg eingeschritten wird. Aber gerade diese Definition ist besonders schwierig. Und nahezu jeder Mensch setzt sie anders.
Dabei lässt sich bei manchen Beispielen zumindest in Sachen schlechtem Geschmack einigermaßen Übereinstimmung erzielen. Dazu gehört ein Plakat, das zu einer "Thekenschlampenparty" einlädt. Auch ein Radiosender, der mit einer nackten Frau und dem Slogan "Mehr muss man nicht anhaben" wirbt, spielt auf der sexistischen Klaviatur. Andere Bilder lösen dagegen beim unvoreingenommenen Betrachter nicht unbedingt Diskriminierungsalarm aus.
Da wirbt eine Kaufhauskette für günstige Negligés. Zu sehen ist eine Frau, die ein solches Teil anhat. Wie sollte der Kaufanreiz auch sonst präsentiert werden? "Etwa dadurch, dass einfach nur das Produkt gezeigt wird", meinte eine Besucherin. Denn mit der Frau, die das Plakat natürlich optisch aufhübscht, werden ihre Geschlechtsgenossinnen in ein bestimmtes Rollenverhalten gezwängt. Jung, schön, verfügbar. Diesen Subtext gelte es aus der Werbung zu verbannen. Und das nicht nur wenn es um Klamotten geht. Natürlich wird auch die verführerische Eva, die dem Kunden eine Eissorte nahe bringen soll, zu dieser Kategorie gezählt. Und sogar ein älteres Ehepaar. Bei ihm missfällt, dass die Frau dem Mann einen Kochlöffel zwecks probieren des Mittagsmahls reicht. Ein klarer Fall von Klischee, findet auch der Begleittext. Sie spielt den Part der Hausgemahlin, er den des Ernährers.
So durchdekliniert, erfüllen natürlich alle Plakate den Tatbestand nicht gewünschter Werbemotive. Sie stehen für das aktuelle gesellschaftliche Klima, beklagte Bürgermeisterin Monika Herrmann (B 90/Grüne). Werte, die Frauenrechtlerinnen und der Feminismus erkämpft haben, werden wieder in Frage gestellt. Dagegen wende sich Friedrichshain-Kreuzberg mit seiner Kampagne.
Wie das konkret aussehen soll, erklärte die Gleichstellungsbeauftragte Petra Koch-Knöbel. Inzwischen habe sich eine Arbeitsgruppe gebildet, aus der wiederum eine Jury hervorgehen wird. Ihr sollen Initiativen aus dem frauenpolitischen Spektrum, dem Lesben- und Schwulenverband sowie Migrantenorganisationen angehören. Dieser "Sittenrat" entscheidet dann, welche Werbung als anstößig gilt. Er werde seine Beobachtungen auch nicht auf die wenigen Großflächen beschränken, auf die der Bezirk als Eigentümer direkten Zugriff hat. Vielmehr habe er insgesamt ein Augenmerk auf Reklame im öffentlichen Raum. Und am besten nicht allein auf Friedrichshain-Kreuzberg beschränkt. Auch andere Bezirke sollen zu ähnlichen Initiativen animiert werden. "Wir haben im Sommer mehrere Klagen über die großflächige Werbung für ein Bordell bekommen", berichtete Petra-Koch-Knöbel. Der Puff und die dazugehörige Propaganda befanden sich allerdings in Pankow.
Denkt man diesen Feldzug zu Ende macht er eigentlich mit umgekehrten Vorzeichen nur das, was er der Werbeindustrie vorwirft. Nämlich ein bestimmtes Rollenmuster als allein gültiges zu postulieren und dabei nur die Ansichten einer bestimmten Gruppe gelten zu lassen. Denn einen allgemeinen Konsens wird es darüber sicher nicht geben. Damit entscheidet eine Minderheit, was die Mehrheit zu sehen bekommt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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