Ein Park zwischen Gräbern: Pläne auf dem Luisenstädtischen Friedhof stoßen auf Argwohn
Irgendwann fiel der berühmte Satz, der in Kreuzberg immer dann geäußert wird, wenn das Beharrungsvermögen überwiegt. "Alles soll so bleiben, wie es ist."
Dabei seien doch gar keine so großen Veränderungen geplant. Sagen der evangelische Friedhofsverband Berlin-Stadtmitte und die Gesellschaft Stattbau. Vielmehr stehe eine Qualifizierung im Mittelpunkt. Und die soll in Einklang mit den interessierten Bürgern stattfinden.
Es geht um rund 2,6 Hektar Fläche auf dem insgesamt neun Hektar großen Luisenstädtischen Friedhof am Südstern. Auf ihnen soll ein sogenannter Friedhofspark entstehen. Was darunter zu verstehen ist, dafür gebe es zwar einige Ideen, aber die wären ebenfalls erst eine Diskussionsgrundlage. Von besser gestalteten Wegen in diesem Bereich war die Rede, einer Art Naturerfahrungsraum, Patenschaften für die dort befindlichen Mausoleen, mehr Informationen zur Geschichte und Bestattungskultur, ebenso wie von einem Hörweg, Kunstinstallationen sowie einem weiteren Zugang von der Züllichauer Straße. Nichts wäre aber bisher entschieden. Deshalb war der Dialog mit der Bevölkerung wichtig, dessen Auftakt am 8. März stattfand. Und der mit in Spitzenzeiten mehr als 70 Teilnehmern auf reges Interesse stieß.
Der Luisenstädtische Friedhof ist der östlichste der vier Friedhöfe entlang der Bergmannstraße. In vieler Hinsicht ein bedeutendes Areal, wie mehrfach betont wurde, historisch und kulturgeschichtlich wegen der letzten Ruhestätte vieler berühmter Persönlichkeiten. Das bekannteste Grab ist das des Reichskanzlers und Außenministers Gustav Stresemann (1878-1929). Dazu kommen zahlreiche Mausoleen, die an einst wichtige Familien der Berliner Gründerzeitepoche erinnern. Ihren Erhalt zu sichern, bedeutet aber ein Problem, das im Zusammenhang mit den Parkplänen ebenfalls eine Rolle spielt. Der Friedhof ist außerdem ein großes Biotop für seltene Tiere und Pflanzen. Auch wegen der vielen vernachlässigten und freien Gebiete entstand dort eine besondere Vegetation.
Weniger Platz für Gräber
Womit wir zum Kern der Parkpläne kommen. Er hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass für die letzten Ruhestätten immer weniger Platz benötigt wird. Die Zahl der Beerdigungen ist ebenso zurück gegangen, wie die Fläche, die dafür benötigt wird. Denn schon seit langem werden viele Tote in Urnen- statt in Erdgräbern oder in mehr oder weniger anonymen Gemeinschaftsanlagen bestattet. Dem evangelischen Friedhofsverband als Betreiber bringt das vor allem weniger Geld. Was sich durch weniger Personal auf den Unterhalt auswirkt. Schon aus diesem Grund werden bereits an anderen Stellen Friedhofsflächen zweckentfremdet. Etwa in Friedrichshain an der Landsberger Allee, wo entlang der Straße Wohnungen entstehen sollen. Am südlichen Rand der Friedhöfe an der Bergmannstraße, an der Jüterboger Straße, war im vergangenen Jahr eigentlich der Bau von Flüchtlingsunterkünften vorgesehen, was nun aber vom Tisch zu sein scheint. Das Parkvorhaben ist in diesem Zusammenhang nur eine weitere, wenn auch im Vergleich eher niederschwellige Variante.
Es wird auch deshalb forciert, weil dafür öffentliche Mittel akquiriert werden konnten, insgesamt mehr als 100 000 Euro aus dem Senatsprogramm "Bene", aus dem es Geld für Natur- und Grünflächen in Berliner Kiezen gibt. Die Summe sei zumindest ein "Aufschlag", sagte Pfarrer Klaus-Ekkehard Gahlbeck vom Friedhofsverband.
Die auf der vorgesehen Fläche vorhandenen letzten Ruhestätten sollen erhalten bleiben, manche restauriert werden. Gerade dort wird auf künftige Paten gesetzt. Gleiches gelte, wenn Angehörige die Nutzungsfrist verlängern wollen. Selbst neue Bestattungen wären möglich. Nur wenn sich niemand mehr darum kümmere und auch kein allgemeines Interesse bestehe, könnten sie abgeräumt werden. Was wohl auf viele zutreffen würde. Und natürlich bleibe der Park ein Teil des Friedhofs.
Sorgen vor Drogendealern
Das sorgte trotzdem für keine besonders große Begeisterung. Mit Verweis auf eventuelle Kunst- oder sogar Musikdarbietungen wurde das Umwandeln in eine Eventlocation befürchtet. Der zusätzliche Zugang stieß ebenfalls auf Argwohn. "Dann fahren hier demnächst Bierbikes durch", kommentierte ein Teilnehmer ironisch. Auch für Drogendealer könnte sich dadurch ein neuer Handelsplatz zwischen den Gräbern entwickeln, wurde ebenfalls angemerkt. Der Hinweis, das Tor werde wahrscheinlich nur temporär geöffnet, außerdem sei die Installation eine Pförtners angedacht und das neben dem avisierten Eingang befindliche baufällige Mausoleum wäre nach Restaurierung als eine Art Informationszentrum nutzbar, reduzierte die Bedenken nur wenig. Der evangelische Friedhofsverband habe lange mit Beerdigungen gutes Geld verdient, meinte ein Redner. Jetzt, wo das nicht mehr so gut laufe, wolle er das Gelände anderweitig nutzen. Aber das sei nicht unbedingt seine Geschäftsgrundlage.
Die Einwände werden aufgenommen, so das Versprechen. Konkret sieht das so aus, dass es in den kommenden Monaten Werkstätten zu verschiedenen Themen wie Naturschutz oder Sinneswahrnehmungen geben soll, sagt May Buschke von Stattbau. Parallel dazu würden Studenten der Beuth-Hochschule ein gestalterisches Konzept erarbeiten. Auch dabei würden die Anmerkungen der Bürger eine Rolle spielen. Gleichzeitig bleibe das Ziel, bis zum kommenden Jahr zumindest kleinere Veränderungen vorzunehmen. Denn, so meint sie, wenn sich nichts verändere, wäre der Bestand des Friedhofs auch insgesamt gefährdet.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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