„Der Ton hat sich geändert“
Bürgermeister Michael Grunst über Bezirkspolitik in der Corona-Krise

Bürgermeister Michael Grunst im Rathaus Lichtenberg, wo es derzeit viel stiller ist als üblich. | Foto: Bezirksamt Lichtenberg
  • Bürgermeister Michael Grunst im Rathaus Lichtenberg, wo es derzeit viel stiller ist als üblich.
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Es gibt wohl kaum jemanden, auf dessen Leben die Corona-Krise keine mehr oder weniger gravierenden Auswirkungen hat. Auch das Bezirksamt Lichtenberg und Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) arbeiten in diesen Tagen unter schwierigen Bedingungen. Wir befragten den Rathauschef zur aktuellen Lage.

Wie hat sich Ihr (Berufs-)Alltag verändert?

Ziemlich tiefgreifend. Das Bezirksamt Lichtenberg hat am 5. März einen Arbeitsstab Coronavirus einberufen und den bezirklichen Pandemieplan aktiviert. Unter meiner Leitung tagt seitdem regelmäßig ein Pandemiestab, um die Verbreitung des Coronavirus mit geeigneten Maßnahmen einzudämmen. Die Lage ist sehr ernst. Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens, der Verwaltung, der Polizei und des Katastrophenschutzes sind derzeit mit Bewältigung der Corona Krise befasst. Wir arbeiten alle sehr eng zusammen, das beruhigt mich. Wir können beweisen, dass Berlin ein Team ist.

Privat wurde mein Leben selbstverständlich auch auf den Kopf gestellt. Wie das von uns allen! Pläne, die geschmiedet wurden, müssen verworfen werden, das Sozialleben ist drastisch eingeschränkt. Was einem lieb ist, mir zum Beispiel die Fußballspiele von Lichtenberg 47 und Union, ist erst einmal auf Eis gelegt. Das ist aber alles nur vorübergehend.

Verwaltung im Pandemiemodus 

Wie ist das Bezirksamt aktuell überhaupt besetzt?

Die Verwaltung arbeitet natürlich weiter, allerdings im Pandemiemodus. Wir haben zum Beispiel für dringende Fälle eine Notsprechstunde im Sozialamt eingerichtet. Das Jugendamt ist im Kinderschutz weiter aktiv und ansprechbar. Das Bürgeramt in der Egon-Erwin-Kisch-Straße steht zur Verfügung. Wir haben Mitarbeiter in der Reserve, falls Beschäftigte krank werden oder in Quarantäne müssen. Andere Kollegen sind im Homeoffice. Die Büros der Stadträte sind täglich erreichbar, und wir haben Telefonnummern der Ämter für die Fragen der Bürger geschaltet. Wir sind weiter für sie da.

Was kann die Bezirksverwaltung gerade tun?

Oberste Priorität hat der Schutz der Bevölkerung. Die öffentliche Ordnung muss aufrecht erhalten werden, das Gemeinwesen muss funktionieren. Die Hauptlast tragen derzeit das Gesundheits- und das Ordnungsamt. Ich bin allen dankbar, die sich bereiterklären, ihre Kollegen in anderen Bereichen zu unterstützen – das ist gelebte Solidarität. Aber auch die reguläre Arbeit geht weiter. Priorität hat immer noch die Schulbauoffensive. Hier gibt es keinen Stillstand. Schulen werden weiter saniert, reaktiviert, erst vor wenigen Tagen haben wir den Spatenstich für einen Neubau in der Wartiner Straße gesetzt.

Wie funktioniert der Kontakt zu den Stadträten? Wie laufen angesichts der Abstandsvorgaben dieBezirksamtssitzungen ab?

Die Bezirksamtssitzungen finden im großen Ratssaal statt. Hier können wir die Sicherheitsabstände einhalten. Viel wird über Telefonate, Video- und Telefonkonferenzen kommuniziert. Die persönlichen Kontakte sind auf das absolut Notwendigste reduziert. Das fehlt mir schon sehr, es gehört im Normalbetrieb zu den Dingen, die ich besonders schätze.

Bekommen Sie in der Corona-Krise vermehrt Anfragen oder Post von den Lichtenbergern?

Ich bekomme täglich die Sorgen der Lichtenberger zu spüren – die Ängste um die Gesundheit und ihre Angehörigen, die Sorgen der Gewerbetreibenden, der Handwerksbetriebe und Geschäftsinhaber um ihre wirtschaftliche Existenz. Es ist gut, dass der Senat unbürokratisch mit Sofortprogrammen reagiert. Sorgen mache ich mir um die Menschen, die ihre Arbeit verlieren oder in Kurzarbeit müssen. Das hat für viele erhebliche finanzielle, oft existenzielle Folgen. Ich verstehe da manches Zögern auf Bundesebene nicht. Eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist zwingend erforderlich. Insgesamt muss ich aber sagen, dass sich der Ton geändert hat. Das ist erstaunlich, wir werden in dieser Krise freundlicher zueinander, sensibler miteinander. Ich hoffe das ist etwas, das wir mitnehmen werden.

Enger Draht zu den Krankenhäusern

Stehen Sie in Kontakt mit den beiden Lichtenberger Krankenhäusern?

Ja, im engen Kontakt sogar. Es zeigt sich jetzt, dass wir auf die seit Jahren sehr gute Kommunikation zwischen dem Sana Klinikum, dem Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge und dem Bezirksamt bauen können. Ich telefoniere mit den Geschäftsführern. Die Gesundheitsstadträtin ist mit der Amtsärztin im Pandemiestab der Krankenhäuser vertreten. Beide Kliniken können Menschen, die am Coronavirus erkrankt sind, die notwendige ärztliche Behandlung zukommen lassen. Ich bin dem medizinischen und pflegerischen Personal in den Krankenhäusern, den Arztpraxen, den Pflegeinrichtungen, den Apothekern und dem Gesundheitsamt für ihre Arbeit sehr dankbar.

Die Situation ist sicherlich für alle extrem schwierig – gibt es für Sie trotzdem etwas Positives?

Mich berührt die Solidarität unter den Lichtenbergern. Die ist vielfältig, zum Beispiel sind da die Spenden für den „Gabenzaun“ an der Frankfurter Allee oder für obdachlose Menschen und die konkrete Nachbarschaftshilfe im Wohnumfeld.

Ich weiß, dass vielen Menschen der persönliche Kontakt zu Freunden und Verwandten fehlt. Ich möchte ihnen versichern, dass wir im Bezirksamt alles unternehmen, um die Situation gemeinsam zu bewältigen. Bitte halten Sie sich an die Einschränkungen, auch wenn es schwerfällt. Halten Sie durch, halten Sie zusammen, halten Sie Abstand. Und vor allem: Bleiben Sie gesund!

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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