Wo Berlins Wurzeln noch zu erkennen sind
Pläne zum Umbau des Angerdorfs Marzahn scheiterten bis heute immer an der Finanzierung
In Marzahn kann man die dörflichen Wurzeln der Großtstadt Berlin noch gut erkennen. Der alte Dorfkern ist bis heute erhalten geblieben und sichtbar. Neben der alten Dorfkirche und dem Bezirksmuseum locken das KulturGut Marzahn, das Traditionslokal Marzahner Krug sowie gleich daneben die Bockwindmühle und der Tierhof Besucher an.
Dass der Dorfanger Marzahn heute so ruhig und beschaulich ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Es hätte auch ganz anders kommen können, wie Dorothee Ifland weiß. Seit 30 Jahren leitet sie das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf, dessen Haus 1 sich seit 1999 im Gebäude der 1911 errichteten Dorfschule direkt auf dem Anger befindet.
Zum Treffen mit der Berliner Woche hat sie ein paar Hefter mit historischen Fotos und Entwürfen von Architekten aus dem Museumsarchiv zusammengesucht. Sie belegen, welch bewegte Geschichte der Dorfanger hat und welche verschiedenen Pläne zur Bebauung es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat.
Der hintere Teil des Dorfangers Richtung Landsberger Allee ist einmal dicht bebaut gewesen. Dort befanden sich nicht nur eine Schmiede mit einer Tanksäule, sondern auch mehrere Wohnhäuser, was laut Dorothee Ifland „relativ ungewöhnlich“ gewesen ist. Sogar noch 1985, so belegt es ein datiertes Foto, befand sich dort ein zweistöckiges Wohnhaus. Im Zusammenhang mit dem Bau der Großsiedlungen von Springpfuhl aus nach Norden – 1973 begannen hierfür die Tief-, zwei Jahre später die Hochbauarbeiten – sei auch noch mal über das Dorf nachgedacht worden.
Dass das seit 1977 unter Denkmalschutz stehende märkische Angerdorf Marzahn erhalten werden soll, sei von Anfang an Teil der Planungen gewesen. „Mit der Entstehung der Großsiedlung gab es dort keine Landwirtschaft mehr, aber die Idee, das Dorf durch kulturelle Einrichtungen attraktiver zu gestalten“, sagt die Museumsleiterin.
„Entsprechend der zentralen Lage im Neubaugebiet und der unmittelbaren räumlichen Verbindung zum gesellschaftlichen Bereich von Berlin-Marzahn ist der Dorfkern Marzahn über seine Grundfunktion ‚Wohnen‘ hinaus als ein Bereich der freizeitlichen Kommunikation mit spezifischen Einrichtungen des Handels, der Gastronomie und der Kultur auszubilden“, heißt es in einem Magistratsbeschluss zur Rekonstruktion des Dorfkerns Marzahn vom 4. Januar 1978. „Die historische geprägte Grundstruktur der Angeranlage, die vorwiegend aus eingeschossigen Wohnhäusern mit dahinterliegenden Scheunen und Höfen besteht, ist bei Abriß verschlissener Bauten durch maßstabsgerechte Neubauten zu ergänzen“, steht darin weiter.
Für das Anlegen der Allee der Kosmonauten mussten ab der zweiten Hälfte der 70er-Jahre bereits ein paar Häuser am östlichen Ende des Dorfes abgerissen werden. Jahrhundertelang führte der Verkehr vom Stadtzentrum direkt durch den alten Dorfkern, bis die Landsberger Allee nördlich um das Dorf herum verlegt wurde.
Heute ist von den einstigen Häusern auf dem hinteren Teil des Dorfangers nur noch eines übrig. Die Agrarbörse Deutschland Ost nutzt es als Infopunkt. Früher war dort einmal ein Milchladen, außerdem auch mal eine Post, wie auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto zu erkennen ist.
Dokumente aus dem Landesarchiv Berlin und dem Archiv des Bezirksmuseums zeigen, welche außergewöhnlichen Ideen die Planer für die Neugestaltung des Angers hatten. 1978 sah ein Vorschlag zum Beispiel vor, ein Café am Dorfeingang von der Landsberger Allee aus zu errichten. An der Schmiede sollte es nach einem Entwurf des Architekten Roland Korn ein Restaurant geben, daneben einen Kinderspielplatz.
Direkt vor dem heutigen Bezirksmuseum sollte ein Neubau gesetzt werden. Von einem Freizeitzentrum war damals die Rede. Entstehen sollten laut einer Studie von 1981 außerdem eine Grillbar „Zur Schmiede“, eine Boutique für Textilien, ein Spirituosen- und Süßwarenladen, ein Bauernmarkt und ein Rummelplatz für Schausteller auf und am Anger. Auch eine Angerbühne für Musikveranstaltungen tauchte in den Planungen auf.
„Es sollte ein Anziehungspunkt für die Leute sein, die in die Großsiedlung ziehen“, erklärt Dorothee Ifland. Die Pläne seien aber dann alle an finanziellen Fragen gescheitert. „Wahrscheinlich wäre das schon attraktiv gewesen für das Dorf“, meint sie mit Blick auf die heute weitgehend ungenutzte Fläche. Zu einem richtigen Anziehungspunkt, wie in den damaligen Planungen vorgesehen, ist der Dorfanger letztlich nicht geworden. Das haben stattdessen die Bockwindmühle und der Tierhof gleich nebenan geschafft.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.