Tacheles-Spruch gibt's jetzt zweimal
Kunstwerk prangt am WBM-Neubau in Friedrichshain
Das riesige Wandgemälde an der Tacheles-Ruine an der Oranienburger Straße ist weltbekannt und beliebtes Fotomotiv bei Touristen seit mittlerweile 13 Jahren.
HOW LONG IS NOW steht seit 2006 an der Brandwand der Tacheles-Ruine an der Oranienburger Straße. 14 mal 12 Meter groß prangt die philosophische Frage an dem berühmten Kunsthaus. Wie lange ist jetzt? Für das Wandbild am Tacheles kann man die Frage klar beantworten. Nicht mehr lange. Denn in den kommenden Monaten verschwindet der legendäre Schriftzug der Künstlergruppe Globalodromia. An das berühmte Künstlerhaus, das 2012 nach jahrelangen Querelen und Klagen geräumt wurde, wird jetzt ein Gebäuderiegel mit Hotel und Büros gebaut. Das Wandbild ist dann verschwunden. Es wird schon heute von Baucontainern teilweise verdeckt.
Das Tacheles ist längst Geschichte. Auf dem 2,5 Hektar großen Areal zwischen Friedrichstraße, Oranienburger Straße und Johannisstraße stampft der Projektentwickler pwr development bis 2020 für eine halbe Milliarde Euro ein komplettes Stadtquartier mit Wohnungen, Büros, Geschäften und einem Hotel aus dem Boden und saniert die berühmte Tacheles-Ruine. In die ehemaligen Kaufhausetagen sollen Galerien, Studios und Ateliers einziehen.
Doch den Schriftzug HOW LONG IS NOW, der erstmals 1997 bei der Tacheles-Werkschau gezeigt wurde, lebt weiter. Die Künstlergruppe Globalodromia hat einen neuen Ort gefunden, um die Frage in die Welt zu posaunen. An einem Neubau der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) durften die Künstler ihr Werk ein zweites Mal auf eine Brandwand sprühen. Allerdings ohne die markante Maske, die am Tacheles unter dem Spruch gemalt ist. Das Gesicht wurde seinerzeit erst später hinzugefügt.
Moment der Irritation
Das neue Wandgemälde wurde am 4. Juni am WBM-Neubau Friedenstraße 90 in Friedrichshain enthüllt. Auf dem Gelände des ehemaligen Böhmischen Brauhauses, zwischen Frieden-, Pufendorf- und Matthiasstraße, entsteht ein neues Stadtquartier. Die WBM baut dort 192 Mietwohnungen. Die Künstler nutzten den Moment vor Abbau des Gerüsts, um ihr Wandgemälde an der frisch verputzten Wand anzubringen. „HOW LONG IS NOW – dieser Schriftzug ist auch deshalb weltbekannt geworden, weil er die ständige Veränderung Berlins und die damit einhergehenden Aufbrüche und Spannungen, Verluste und Chancen so prägnant zusammenfasst“, sagte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bei der Enthüllung. „Als Partner bei der Entwicklung der Innenstadt hören wir aufmerksam zu und schauen genau hin. Dazu gehört auch, einmal kurz inne zu halten und sich einem Moment der Irritation auszusetzen, wie ihn HOW LONG IS NOW mit seiner schillernden Frage schafft“, sagt WBM-Chefin Christina Geib.
An WBM-Häusern befinden sich einige bekannte Wandbilder wie zum Beispiel der denkmalgeschützte Mosaikfries „Unser Leben“ am Haus des Lehrers und das Wandbild „Der Mensch, das Maß aller Dinge“ an der Friedrichsgracht von Walter Womacka. Der Tacheles-Spruch gibt den Betrachtern erstmal genug Zeit, um über den Sinn nachzudenken. Doch irgendwann ist auch hier das Jetzt vorbei. An die Brandwand an der Friedenstraße soll später ein weiteres Wohnhaus gebaut werden. Doch der Steinmetzbetrieb auf dem angrenzenden Grundstück hat noch einen Pachtvertrag über mindestens zehn Jahre.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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