„Keibelritze“ bald für alle offen?
Senat legt Machbarkeitsstudie zum Ausbau des berüchtigten Gefängnisses als Gedenkort vor

Tom Sello und Evelyn Zupke fordern den Ausbau des Gefängnisses zum nationalen Gedenkort. | Foto:  Dirk Jericho
6Bilder
  • Tom Sello und Evelyn Zupke fordern den Ausbau des Gefängnisses zum nationalen Gedenkort.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Tom Sello, fordert gemeinsam mit der SED-Opferbeauftragten des Bundes, Evelyn Zupke, die neuen Regierungen in Bund und Senat auf, Geld für einen nationalen Erinnerungsort im DDR-Gefängnis Keibelstraße bereitzustellen.

Das Präsidium der DDR-Volkspolizei an der Keibelstraße direkt am Alex, zu dem das Gefängnis gehörte, war bekannt bei den Berlinern. Die Leute scherzten, es sei der „größte Automat Berlins: Schmeißte oben eine Scheibe ein, kommen unten viele grüne Männchen raus“. „Angstort der Bürger war nicht der Stasiknast in Hohenschönhausen, den kannten die meisten gar nicht“, sagt Tom Sello. Das Drohpotenzial sei vom Präsidium an der Keibelstraße ausgegangen, so Sello, der seit über zehn Jahren für die Öffnung der „Keibelritze“, wie der Knast im Volksmund hieß, kämpft.

Die Häftlinge nannten den Knst Keibelritze. | Foto: Dirk Jericho
  • Die Häftlinge nannten den Knst Keibelritze.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Exakt vor 70 Jahren, Anfang November 1951, hatten die DDR-Oberen zwischen den Gebäuden des 1931 errichteten Karstadt-Verwaltungsbaus und ab 1935 von den Nazis als Statistisches Reichsamt genutzten Blöcken die Untersuchungshaftanstalt II eröffnet. Im Berliner Polizeipräsidium war der Einsatzstab für den Mauerbau, den Honecker 1961 leitete. Dort wurden zwar auch Kriminelle zugeführt, verhört und wochenlang weggesperrt; aber in der Mauerstadt wurden auch viele politische Häftlinge, die abhauen wollten oder irgendwas gegen die SED-Diktatur hatten, weggeschlossen.

Stasi, Polizei, Justiz und Haftsystem

In dem berüchtigten DDR-Gefängnis soll eine Ausstellung zeigen, wie sich das SED-System nicht nur auf Stasi, sondern auch auf Volkspolizei, Justiz und Haftsystem stützen konnte. Die Polizei im Osten „war eben nicht nur der freundliche ABVler (heute Kontaktbereichsbeamter) oder Verkehrspolizist gewesen“ wie Sello sagt, sondern auch brutaler Sicherungsapparat der SED-Herrschaft. Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello gehörte einst selbst zu den Verfolgten.

Birgit Marzinka leitet den Lernort Keibelstraße und zeigt ein Modell vom Gefängnishof auf dem Dach. | Foto: Dirk Jericho
  • Birgit Marzinka leitet den Lernort Keibelstraße und zeigt ein Modell vom Gefängnishof auf dem Dach.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Das ehemalige Polizeigefängnis am Alexanderplatz steht seit 25 Jahren leer. Nach der Wende wurden in den oberen Etagen noch bis 1996 Abschiebehäftlinge eingesperrt. Seitdem ist der Megaknast mit 177 Zellen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Außer bei speziellen Führungen konnte bisher niemand in den Polizeiknast. Das neungeschossige Gefängnis mit dem tiefen Schacht fasziniert Regisseure. In den Zellen und Gängen wurden unter anderem Kinofilme wie „Männerpension“ oder „Good Bye, Lenin“ gedreht. 2019 wurde nach langen Debatten im ersten Obergeschoss der Lernort Keibelstraße eröffnet. Eine Ausstellung informiert seitdem vor allem Schüler über Diktatur und Repression in der DDR.

Die Senatsbildungsverwaltung, die im gleichen Gebäudekomplex sitzt und teils in ehemaligen Gemeinschaftszellen ihre Büros hat, hat eine Machbarkeitsstudie zur Nutzung weiterer Etagen in Auftrag gegeben. Das Architekturbüro Merz Merz hat jetzt ein Konzept vorgestellt, für das Sello und Zupke werben. Demnach werden weitere Etagen für öffentliche Rundgänge und Ausstellungen ertüchtigt. Das Glasdach über dem sieben Geschosse tiefen Schacht kommt wieder rauf. 1992 wurde beim Umbau zum Abschiebegefängnis oben eine Decke eingezogen, die entfernt werden soll. Auch der nach der Wende abgebaute Gefängnishof für den 30-minütigen Freigang auf dem Dach mit Gittern und Wachturm soll rekonstruiert werden. Damals habe es dort sogar Verblendungen gegeben, damit Fernsehturmbesucher nicht die Gefangenen sehen konnten, wie Birgit Marzinka vom Lernort Keibelstraße sagt.

Zugang vom Polizeirevier aus

In den denkmalgeschützten Knast im Inneren des Komplexes kommt man zukünftig über einen vorhandenen Durchgang des dortigen Polizeireviers an der Keibelstraße. Davor wird ein Informationspavillon mit Kassen und einer Dauerausstellung errichtet, so der Plan. Die Kosten beziffern die Planer mit 16,5 Millionen Euro. Davon sind allein 4,5 Millionen Euro für den Umzug der Senatsbüros aus Teilen des Knastbaus vorgesehen.

Tom Sello kämpft seit über zehn Jahren für die Öffnung des DDR-Knastes als Gedenkort. | Foto: Dirk Jericho
  • Tom Sello kämpft seit über zehn Jahren für die Öffnung des DDR-Knastes als Gedenkort.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Wann sich Berlin und der Bund über die Finanzierung dieses nationalen Polizeimuseums einigen, ist völlig offen. Laut Sello soll der DDR-Knast Teil des Gedenkstättenkonzeptes des Bundes werden und von der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen betrieben werden. Der Aufarbeitungsbeauftragte sagte, dass nach jetzigen Überlegungen der Umbau erst 2028 beginnen könne. Sello hofft aber auf einen schnelleren Start.

Weitere Informationen zum jetzigen Gedenkort unter www.keibelstrasse.de. Die komplette Machbarkeitsstudie findet sich auf www.aufarbeitung-berlin.de.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 235× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 997× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 651× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.141× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.030× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.