"Warte nicht auf bessre Zeiten"
Wolf Biermanns Leben und Werk im Deutschen Historischen Museum

Das Plakat zur Ausstellung "Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland".  | Foto:  Julia Volkmar & STUDIO BENS
  • Das Plakat zur Ausstellung "Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland".
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Wolf Biermann ist einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands – in Ost und West. Seine Ausweisung aus der DDR 1976 war eine politische Zäsur. Jetzt stellt das Deutsche Historische Museum den Lyriker näher vor.

Wolf Biermanns Lieder, Balladen und Gedichte sind kontrovers, oft Anlass und zugleich Kommentar kulturpolitischer Ereignisse. Als Zeitzeugen aus sechs Jahrzehnten sind sie nun in einer Ausstellung präsent. "Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland" thematisiert im Deutschen Historischen Museum (DHM) das Leben und Werk des Künstlers, dessen Lieder, Balladen und Gedichte den aktuellen Anlass ihrer Entstehung größtenteils bis heute überdauert haben. "Warte nicht auf bessre Zeiten", "Ermutigung" oder die "Ballade vom preußischen Ikarus" sind Klassiker geworden.

Nach einem Prolog folgt der chronologisch angelegte Rundgang in acht Themenräumen Biermanns biografischen, künstlerischen und politischen Wegmarken. 1936 in Hamburg geboren, wuchs er im kommunistisch geprägten Arbeitermilieu auf. 1953 siedelte Biermann noch als Schüler aus politischer Überzeugung in die DDR über. Er arbeitete als Regieassistent am Berliner Ensemble, war Leiter des Arbeiter- und Studententheaters (bat), schrieb und publizierte. Legendär ist sein umstrittener Auftritt beim Lyrik-Abend in der Ostberliner Akademie der Künste 1962. Biermann, damals noch Student, trug politische Lieder vor. Der Schriftsteller Stephan Hermlin wurde danach als Gastgeber des Abends vor die Parteiführung zitiert.

Ausweisung als Zäsur

Für Biermann begann die Phase des zähen Ringens mit der SED und der Partei um ihn. Anders als weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler war Biermann jedoch zu populär geworden, um ihn in Haft zu nehmen, und er war zu unberechenbar, um ihm öffentliche Auftritte zu erlauben. Mitte der 1960er Jahre folgten jedoch schon ein Auftritts- und Publikationsverbot und eine anschließende, fast lückenlose Observierung durch die Staatssicherheit. Nach elf Jahren Auftrittsverbot sang Wolf Biermann dann am 13. November 1976 in Köln. Die Ausweisung, die darauf folgte, war, wie heute bekannt ist, bereits vor dem Konzert beschlossene Sache. In einem offenen Brief an die SED-Führung protestierten prominente Künstlerinnen und Künstler, darunter Stephan Hermlin, Sarah Kirsch, Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl und Christa Wolf, gegen die Ausweisung Biermanns. Diese Art von offenem Protest hatte es zuvor in der DDR nicht gegeben.

Weitere Themen in der Schau sind "Wolf Biermann in der Bundesrepublik" und die "Bürgerrechtsbewegung in der DDR". Auf 560 Quadratmetern sind außerdem rund 280 Objekte aus der DHM-Sammlung, dem Privatarchiv von Wolf und Pamela Biermann sowie aus bundesweiten Archiven zu sehen. Besonders viele Exponate stammen aus der Staatsbibliothek Berlin, die 2021 den Vorlass Wolf Biermanns übernommen hat. Darunter sind Familiendokumente, Tagebücher, historische Audio- und Videoaufnahmen, Medienberichte, Musikinstrumente, persönliche Gegenstände, Fotografien, Kunstwerke und Plakate aus Ost und West. Auch Biermanns DDR-Schreibmaschine, ein Essensbehälter aus Wehrmachtsbeständen, in dem Biermanns Tagebücher vor der Stasi versteckt waren, seine erste Langspielplatte "Chausseestraße 131", eine Observationskamera und Abhörwanzen sind ausgestellt. Eigens für die Ausstellung produzierte Fotografien von Barbara Klemm, die bereits 1976 auf dem berühmten Kölner Konzert fotografiert hatte, dokumentieren das heutige Leben Biermanns (86) in Hamburg.

"Wolf Biermann ist für mich einer der beeindruckendsten und bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache. Sein Leben und Werk sind in dialektischer Spannung mit der Geschichte Deutschlands verwoben", sagt Raphael Gross, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum. Und Ausstellungskuratorin Monika Boll ergänzt: "Kultur galt in der DDR als hohes Gut, an dem alle Menschen teilhaben sollten. In einem Staat ohne freie Medien übernahm der Kulturbereich die Funktion des öffentlichen Raums. Das verschaffte der Kunst Sichtbarkeit und Anerkennung, machte sie aber auch zum Objekt von staatlicher Kontrolle und Zwang."

Zu sehen ist "Wolf Biermann" bis zum 14. Januar 2024 im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet sieben, ermäßigt 3,50 Euro. Eintritt bis 18 Jahre frei. Eine "Kinderspur" durch die Ausstellung und ein Begleitheft richten sich an jüngere Museumsgäste.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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