Gestank und Dreck im Engelbecken
Bezirksamt soll Gutachten erstellen, wie das Gartendenkmal saniert wird
Seit Jahren protestieren Anwohner gegen die „grobe Vernachlässigung des Gartendenkmals Engelbecken“, wie die Anwohnerinitiative Engelbecken erst im Juni wieder formulierte. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat auf ihrer jüngsten Sitzung nun ein Gutachten über notwendige Veränderungen an dem Gartendenkmal beschlossen.
Das Engelbecken ist eine idyllische Anlage zwischen Mitte und Kreuzberg – ein künstlich angelegter See mit 16 Wasserfontänen, die seit elf Jahre wieder sprudeln. Zu Mauerzeiten war das zugeschüttete Engelbecken Todesstreifen, in dem Grenzsoldaten mit Kalaschnikows patrouillierten. Jetzt liegen Sonnenhungrige an den Uferkanten, und Cafébesucher im wiedererrichteten Wasserschloss genießen den Ausblick Richtung Süden. Doch weil Filter nicht funktionieren, das Seebecken verschlammt, der Wasserstand sinkt und es faulig müffelt, gibt es immer wieder Ärger. Nach der Sommerpause soll das Bezirksamt „über durchgeführte Sofortmaßnahmen“ im BVV-Umweltausschuss berichten.
Zuletzt gab es Probleme, weil durch eine Baustelle auf Kreuzberger Seite der Wasserspiegel gesunken war. Dadurch wurden die Geruchsbelästigungen noch erhöht. Das Baustellenproblem ist mittlerweile gelöst. „Das Biotop Engelbeckensee ist erheblich gefährdet und droht zu kippen und zu einer Kloake mitten in der Stadt zu verkommen“, schreibt Liane Bruckhaus von der Anwohnerinitiative an die BVV-Politiker.
Überdüngt durch Fütterung
Aus der Antwort der zuständigen Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) auf eine Anfrage von Fabian Koleckar (Die Linke) zur aktuellen Situation des Luisenstädtischen Kanals inklusive Engelbecken und Michaelkirchplatz geht hervor, dass das Grünflächenamt die Wasserqualität verbessern will und „eine Schlammentfernung und weitere Vertiefung nach einer Klärung der hydrologischen Verhältnisse prüft“. Weil das Schilf vor dem Wasserschloss die Sandfilteranlage an dem künstlichen Becken vor dem Café verstopft, soll der für die Wassertiere wichtige Röhricht am Ost- und Westufer gepflanzt und der Röhricht vor dem Café entfernt werden.
Ein großes Problem für das grundwassergespeiste Engelbecken ist neben Hundekot und Müll „die massive Fütterung der Wasservögel“, so Weißler. Das Engelbecken selbst, für das es keine Filteranlagen gibt, wird überdüngt, wenn zu viele organische Stoffe im Wasser landen. Durch den bakteriellen Abbau wird dem System Sauerstoff entzogen, was ab einem bestimmten Punkt zum Umkippen des Gewässers führt. Zur sogenannten Sauerstoffzehr kommt es vor allem an heißen Tagen, wenn die Verdunstung höher ist als die Frischwasserzufuhr von unten. Auf mehreren Hinweisschildern will das Straßen- und Grünflächenamt jetzt „den Bürger die ökologischen Gefahren der Fütterung anschaulich erklären“.
Der verunkrautete Luisenstädtische Kanal soll als Pilotfläche in das Projekt „Bestäuberfreundliche Stadt“ der Senatsumweltverwaltung und der Deutschen Wildtier Stiftung aufgenommen und ökologisch aufgewertet werden, plant der Bezirk. Um in das Bienenprojekt aufgenommen zu werden, sollen zunächst Pflanzkonzepte erarbeitet werden. „Langfristig kann der Luisenstädtische Kanal als Pilotfläche dienen, um die Grünflächenpflege in Zukunft insgesamt insektenfreundlicher zu gestalten“, schreibt Weißler. Zum Problem der beschmierten und kaputten Bänke im gesamten Kanal teilt die Stadträtin mit, dass sie „in Kürze repariert werden“. Es habe Lieferschwierigkeiten für Ersatzteile gegeben. Im Luisenstädtischen Kanal mit den verschiedenen Themengärten sollen sukzessive größere Mülleimer aufgestellt werden. Wie Weißler sagt, sollen in diesem Jahr mindestens zehn Behälter ausgetauscht werden.
Schifffahrtsweg, Kloake, Erholungspark
Das Engelbecken ist Teil des Luisenstädtischen Kanals, den Peter Joseph Lenné 1848 als Grünanlage und Schifffahrtsweg zwischen Spree und Landwehrkanal geplant hat. Es verdankt seinen Namen der Engelfigur auf der katholischen St. Michaelkirche.
Über den Wasserweg brachten die Schiffe vor allem Baumaterial, Waren und Lebensmittel für die boomende Luisenstadt. Weil die Anwohner ihre Abfälle einleiteten und das Wasser wegen des geringen Gefälles stand, glich der Kanal einer Kloake und wurde kurz nach der Eröffnung stillgelegt. 1926 wurde er mit Bauschutt aus dem U-Bahnbau zugeschüttet. Der Berliner Stadtgartendirektor Erwin Barth schuf zwischen den Kanalmauern einen Erholungspark und Lehrgarten mit Wasserspielen, Sandkästen, Promenaden und Planschbecken.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Luisenstadt im Februar 1945 von Phosphorbomben schwer getroffen und versank in Schutt und Asche. Die Ulbricht-Regierung ließ 1961 das Engebecken zuschütten und baute seine Mauer darauf. Auf Kreuzberger Seite wurden in der 80er-Jahren die heute existierenden Anlagen zwischen Landwehrkanal und Waldemarbrücke geschaffen.
Nach dem Fall der Mauer begannen die Sanierungsarbeiten. 1999 wurde das Engelbecken erstmals wieder freigelegt. Seit 2007 sprudeln wieder 16 Wasserfontänen. Sie helfen auch, das Wasser zu belüften. Würden die Fontänen länger laufen, wäre das besser für die Wasserqualität. Doch wegen Lärmschutz für die Anwohner sprudeln die Fontänen nur von 8 Uhr bis mittags und nachmittags nochmal bis 20 Uhr. Die einstige Sprudelhöhe von vier Metern wurde nach der Wiederherstellung des Gartendenkmals seinerzeit ebenfalls aus Lärmschutzgründen auf zwei Meter gedrosselt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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