100 Jahre Groß-Berlin
Lichtspieltheater gab es in Neukölln zuhauf, nur zwei von ihnen sind heute noch Kinos
Als Groß-Berlin gegründet wurde, war Neukölln gerade einmal acht Jahre alt. Zuvor hatte es Rixdorf geheißen. Doch auch der neue Name konnte nichts daran ändern, dass Amüsement großgeschrieben wurde. So buhlten nicht weniger als 25 Lichtspielhäuser um die Gunst der Gäste.
Besonders an der Hermannstraße reihte sich Vergnügungsstätte an Vergnügungsstätte. Hier gab es Varietés, Theater, Kneipen, Tanzlokale – und seit einigen Jahren Kinos. Manche waren in einfachen Ladenlokalen beheimatet, andere kamen prächtig daher, wie das Palast-Kino Stern an der Hermannstraße 49. Das gehobene Bürgertum besuchte auch gerne das Excelsior im heutigen Saalbau an der Karl-Marx-Straße. Nicht ganz so vornehm ging es beispielsweise im Grotten-Kino am Kottbusser Damm zu. Dafür gab es eine Karte schon für 20 Pfennige.
Oft wechselte das Programm mehrmals die Woche. In den besseren Häusern begleiteten Musiker das Geschehen auf der Leinwand. Denn gezeigt wurden Stummfilme, die Tontechnik hielt erst Anfang der 30er-Jahre Einzug.
Rotlicht und Fantasy
Die Filmkunst steckte 1920 noch in den Kinderschuhen. Dennoch gelang dem Regisseur Robert Wiene in diesem Jahr mit „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ein großer Wurf. Das expressionistische Werk ist heute noch jedem Cineasten bekannt. Doch der Massengeschmack war ein anderer.
Das zeigt ein Blick ins „Neuköllner Tageblatt“: Der Knesebeck-Palast wirbt für den „beschlagnahmt gewesenen Sittenfilm ‚Die Tochter der Prostituierten‘“. Das Apollo-Lichtspieltheater zeigt „Der Januskopf“, der von den „rätselhaften Schreckenstaten eines Doppelmenschen“ handelt, gefolgt vom Lustspiel „Hoppla, Herr Lehrer“. Der Eden-Palast hingegen verspricht das Sensationsdrama „Das fliegende Auto“.
Zwei Kinos aus jener Zeit haben überlebt, eines ist das Neue Off, Hermannstraße 20. Seinen Anfang nahm es als Volkstheater, 1918 erhielt es den Zusatz „Lichtspiele“, ab 1955 wurden fast zwei Jahrzehnte lang Pornos gezeigt. Danach folgte ein mühsamer, aber erfolgreicher Neuanfang als Programmkino.
Die Passage an der Karl-Marx-Straße 131 kann auf eine noch längere Geschichte zurückblicken. Hier eröffnete Fritz Singer 1910 im ersten Obergeschoss sein Kinematographentheater. Ein Besitzer folgte auf den nächsten, bis das Haus 1968 dem großen Kinosterben zum Opfer fiel. Rund 20 Jahre lang wurden in dem Saal gebrauchte Möbel gestapelt. Heute beherbergt er wieder eines der schönsten Kinos im Bezirk.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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