Mit jedem Klick ein neuer Baum
Die Berliner Internetsuchmaschine Ecosia kämpft gegen den Klimawandel
Christian Kroll, Gründer der Suchmaschine Ecosia, und seine Mitarbeiter, Durchschnittsalter 30 Jahre, sitzen auf gepackten Koffern. Im Januar steht der Umzug in den Wedding an. Die Firma braucht mehr Platz für ihre bald 60 Beschäftigten. Vorerst noch aber verschaffen der gebürtige Wittenberger und sein Team in einer Fabriketage in der Neuköllner Schinkestraße dem Planeten Luft zum Atmen.
Ecosia, das klingt wie Utopia, und an ihrer Verwirklichung arbeitet Firmengründer Christian Kroll seit zehn Jahren – mit wachsendem Erfolg. Wie? Bei diesem Start-up, das längst den Kinderschuhen entwachsen ist, werden zwei auf den ersten Blick schwer vereinbare Dinge zusammengebracht: Bäume zu pflanzen und eine Internetsuchmaschine zu betreiben. Das genau tut Ecosia.
Wer im Internet surft und dabei die Ecosia-Suchmaschine verwendet, pflanzt mit jedem Klick einen Baum – dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden: in Lateinamerika, Afrika und Indonesien. Krolls Firma arbeitet mittlerweile in zwanzig Ländern rund um den Erdball mit kleinen lokalen Organisationen vor Ort zusammen, damit das Geld auch denen zugute kommt, für die es gedacht ist.
Seit den harten und entbehrungsreichen Anfängen von Ecosia in einem Lagerraum in der Crellestraße konnten mehr als 71 Millionen Bäume gepflanzt werden. „Wir wollen den Klimawandel bekämpfen“, sagt Christian Kroll. „Ich will in einer gesunden Welt leben“, so Kroll weiter.
Der Ecosia-Gründer lebt anspruchslos, wenn auch nicht mehr wie früher in einer WG. Ein Indienaufenthalt nach dem Abitur und eine Weltreise, die ihn nach Nepal und nach Südamerika führte, hätten ihm die Augen für ökologische Themen geöffnet, erzählt Christian Kroll. Er habe die Verpflichtung verspürt, mit seinem Leben in einem Wohlstandsland die Lebenschancen derer zu verbessern, „die in dieser globalen Lotterie verloren haben“. Kroll zitiert einen Spruch, der Ghandi nachgesagt wird: „Be the change to see in the world“.
Das Pflanzen von Bäumen ist für den studierten Betriebswirtschaftler der Königsweg. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie aus Zürich habe das neulich wieder belegt. „Jede Suchanfrage reduziert das CO2 in der Atmosphäre. Wäre Ecosia so groß wie Google, könnten wir genügend Bäume pflanzen, um 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen zu binden.“ Bäume sind hervorragende Speicher von Kohlendioxid.
Von den Baumpflanzungen profitiere die lokale Bevölkerung ganz direkt, sagt Christian Kroll. „Die Leute, die die Bäume pflanzen, werden bezahlt.“ Sie können Holz und Früchte verwerten. Es entstehe ein kleiner Wirtschaftskreislauf. Die Fruchtbarkeit der Böden kehre zurück.
Auf technischer Seite kooperiert Ecosia seit den Anfängen mit Microsoft und dessen Suchmaschine Bing. „Microsoft erhält als Gegenleistung nur einen ganz kleinen Teil unseres Umsatzes“, sagt Christian Kroll. Ansonsten ist diese Ecosia GmbH sehr ungewöhnlich. Sie ist komplett transparent. Jeden Monat werden Finanzberichte veröffentlicht. Ihre Server werden zu hundert Prozent aus erneuerbarer Energie betrieben. Ecosia hat eine eigene Solaranlage. Ecosia erstellt keine persönlichen Nutzerprofile und verkauft keine Nutzerdaten an Dritte. Suchanfragen werden verschlüsselt.
Seit 2018 ist rechtlich verbindlich festgelegt, dass das Unternehmen nicht veräußert und alle Gewinne abzüglich der Betriebskosten ausschließlich für das Pflanzen von Bäumen verwendet werden darf. Das funktioniert über die gemeinnützige Purpose-Stiftung für „Verantwortungseigentum“ (www.purpose-economy.org). Der Stiftung gehören 99 Prozent der Firmenanteile. Sie besitzt ein Prozent der Stimmrechte. Die Stiftung ziehe dem Kapitalismus ein bisschen den Zahn, meint Christan Kroll. Und Ecosia sei „eine gute Antwort auf den Turbokapitalismus“
Mehr Informationen zum Unternehmen gibt es im Internet auf www.ecosia.org.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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