Ein mutiger Pfarrer
Beim Spaziergang im Kiez begegnet man Theodor Burckhardt

Zum Heilsbronnen wurde in der Nazizeit zum Zufluchtsort verfolgter Juden. | Foto: KEN
2Bilder
  • Zum Heilsbronnen wurde in der Nazizeit zum Zufluchtsort verfolgter Juden.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Wir setzen unseren Spaziergang aus der Vorwoche fort. Vom „Letzten Postillon“ in der Geisbergstraße flanieren wir Richtung Süden. Bald ist ein Kirchturm zu sehen. Dann stehen wir vor der Kirche Zum Heilsbronnen in der Heilbronner Straße 20.

Typisch für Berlin gliedert sich die Backsteinfassade des Gotteshauses in die Häuserzeile ein. Dahinter erstreckt sich ein Kirchenschiff, in dem bis zu 700 Gläubige Platz finden, nebst Gemeinderäumen und Dienstwohnungen. Es ist ein monumentales Bauwerk in der Wohnstraße. Den Namen hat das Gotteshaus nach einem Brunnen, der sich hier befunden haben soll. Im Dezember 1912 wurde die Kirche eingeweiht. Ihr Bau war notwendig, um die kirchliche „Versorgung des großen und vornehmen Viertels zwischen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und der Apostel-Paulus-Kirche näher dem Viktoria-Luise-Platz gelegen“ zu gewährleisten. Diese Notiz hat Autorin Gudrun Blankenburg („Das Bayerische Viertel in Berlin-Schöneberg“) in alten Bauakten gefunden.

Von 1931 bis 1945 ist Theodor Burckhardt (1885-1982) Pfarrer der Gemeinde zum Heilsbronnen. Ein in vieler Hinsicht mutiger Mann. Denn im Gemeindekirchenrat dominieren nach 1933 die „Deutschen Christen“, einer von den Nazis beeinflussten Glaubensbewegung, die sich völkischen Idealen verschreibt, den „Arierparagraphen“ übernimmt und das Christentum von der „jüdischen Lohnmoral des Alten Testaments“ gereinigt sehen will.

Burckhardt aber ist Mitglied der „Bekennenden Kirche“ (BK). Sie ist Gegner des NS-Einflusses. Einer ihrer Wortführer, Martin Niemöller, gründet am 21. September 1933 den Pfarrernotbund, um das Bekenntnis zu bewahren. Theodor Burckhardt ist eine der „Säulen“ der Bekennenden Kirche in Schöneberg. Zum offenen Konflikt mit dem Gemeindekirchenrat soll es nicht gekommen sein. Doch Burckhardt wird vom Regime schikaniert, sitzt drei Wochen in Haft, wird unter Hausarrest gestellt.

Obwohl der Pfarrer, seine Frau Bolette und die neun Kinder unter ständiger Beobachtung stehen, helfen sie verfolgten Juden. Sie gewähren ihnen vorübergehend Unterkunft, beschäftigen Frauen jüdischer Abstammung im Haushalt, beschaffen Lebensmittelkarten, sammeln Lebensmittelmarken und Essen für Untergetauchte.

Ein jüdisches Ehepaar sind Max (1888-1965) und Karoline, genannt Ines, Krakauer (1894-1972). Wie sie Naziterror und Deportation überleben, ist mit dem Wort „abenteuerlich“ nur schwach umschrieben. Von Januar 1943 in Berlin bis zur Befreiung durch amerikanische Streitkräfte in Württemberg müssen sich die Krakauers an 66 (!) verschiedenen Orten verstecken. Zuflucht finden sie auch bei der Pfarrersfamilie im Bayerischen Viertel. Dort verstecken sie sich vom 1. bis 7. August 1943, bis sie von Theodor Burckhardt an einen Pfarrerskollegen in Stuttgart weitervermittelt werden.

Max Krakauer erinnert sich in seinem 1947 erschienenen Buch „Lichter im Dunkel“ an den Aufenthalt im Schöneberger Pfarrhaus. Die Gefahr der Entdeckung sei ganz real gewesen. Krakauer über Burckhardt: „Er machte keinen Hehl daraus, dass bei unserer oder seiner Verhaftung größere Kreise der Bekennenden Kirche in die Sache hineingezogen werden könnten.“ Er, Krakauer, habe daraufhin beteuert, niemals einen Namen zu nennen. Woraufhin Theodor Burckhardt erwiderte: „Versprechen Sie nichts, was Sie wahrscheinlich nicht halten können; denn die Methoden, die die an der Macht befindliche Clique anwendet, um herauszubekommen, was sie wissen will, sind derart, dass selbst ich nicht weiß, ob ich ihnen standhalten könnte.“

In den letzten Kriegswochen erkrankt Bolette Burckhardt schwer. Der Pfarrer verlässt am 14. April 1945 gemeinsam mit der Kranken Berlin in einem der letzten Züge, die aus der untergehende „Reichshauptstadt“ abfahren. Bolette Burckhardt stirbt sechs Wochen später in Bad Oldesloe. Für das unerlaubte Verlassen seiner Pfarrei wird Theodor Burckhardt bestraft. Er wird des Dienstes enthoben und schließt sich der evangelischen Pfarrbruderschaft „Sydower Bruderschaft“ an, was ihm das Überleben sichert.

Theodor Burckhardt stirbt 1982 mit 96 Jahren. Vor zehn Jahren wurde eine Gedenktafel für den streitbaren und mutigen Pfarrer und seine Frau an der Kirchenfassade in der Heilbronner Straße angebracht.

Zum Heilsbronnen wurde in der Nazizeit zum Zufluchtsort verfolgter Juden. | Foto: KEN
Seit 2010 erinnert diese Gedenktafel an der Kirchenfassade an Theodor und Bolette Burckhardt.  | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 233× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 991× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 651× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.140× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.030× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.