Trauer über die getötete Hirschkuh
Eine ungewöhnliche Diana im Rathaus Schöneberg

Versonnen steht sie da, die Herrin der Tiere. | Foto: KEN
  • Versonnen steht sie da, die Herrin der Tiere.
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  • hochgeladen von Silvia Möller

Welche Skulpturen erwartet man in einem von einer stolzen Bürgerschaft errichteten Rathaus wie dem Schöneberger? Vielleicht die Porträtplastik des ersten Bürgermeisters oder das Wappentier. Im südlich vorgelagerten Treppenraum des Brandenburgsaals aber überrascht eine Diana.

Diana, so nannten die Römer die griechische Göttin Artemis. Artemis war die Tochter des Zeus und der Titanin Leto und Zwillingsschwester des Apoll. Als jungfräuliche Jägerin, die als Waffe den Bogen trägt und im Köcher die Pfeile, zieht sie mit ihren Begleiterinnen, den Nymphen, durch die Wälder. Artemis, eine der Hauptgötter auf dem Olymp, ist Göttin der Jagd und des Waldes, Herrin der Tiere und, nachdem sie mit der römischen Diana verschmilzt, auch Göttin des Mondes und die Beschützerin der Frauen und Kinder.

Wie meist in der Kunst über die Jahrtausende dargestellt, würde man auch im Rathaus Schöneberg eine Diana erwarten, wie sie im Stand oder im Lauf aus dem Köcher einen Pfeil nimmt, den Bogen spannt oder den Pfeil abschießt. Zumal viele der 30 Bilder des Frieses über den Türen des Brandenburgsaals Landschaften der Mark Brandenburg zeigen. Da wäre ein Bezug zum Wald und zur Jagd.

Nichts dergleichen. Die Schöneberger Diana steht versonnen an einen Baumstumpf gelehnt da. Sie ist nur mit einem hauchdünnen Gewand bekleidet. Es ist ihr von der rechten Schulter gerutscht, sodass die Büste nackt ist. Diana trägt ihr Haar zu einem Knoten gebunden. Ihr edel geschnittenes Antlitz ist nach unten geneigt. Aus ihren fast geschlossenen Augen blickt sie hinunter zu einer Hirschkuh, deren Kopf die Göttin mit der linken Hand an ihren linken Oberschenkel drückt. Das sichtbare Auge der Kuh ist weit geöffnet. Das Tier wirkt leblos.

„Waidwund“ hat Adolf Brütt (1855-1939) seine 1913 entstandene Marmorplastik für das Rathaus Schöneberg genannt. Der aus Husum stammende Brütt war ein im Kaiserreich vielgefragter Bildhauer. Für Wilhelm II. schuf er Figuren für dessen „Siegesallee“ im Tiergarten.

Tödlich getroffen ist hier die Hirschkuh, die Artemis/Diana und ihrem Zwillingsbruder Apoll heilig war. Trauer legt sich auf das Gesicht der Göttin. Womöglich zeigt Brütt in der Skulptur den Augenblick, in dem Diana eine ihrer heiligen Hirschkühe findet, die von Agamemnon und den Griechen im der Göttin geweihten Hain getötet worden ist. Mit Sicherheit aber zeigt die Schöneberger Diana wie schon Adolf Brütts Diana von 1903 die Emanzipation des nackten weiblichen Körpers.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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