Vogelschützer küren bedrohte Turteltaube
Liebesbote ist Vogel des Jahres

Die Turteltaube hat ein farbenfrohes Gefieder und ernährt sich von Wildkräuter- und Baumsamen.  | Foto: Manfred Delpho
  • Die Turteltaube hat ein farbenfrohes Gefieder und ernährt sich von Wildkräuter- und Baumsamen.
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Die Turteltaube gilt als gefiederter Liebesbote. Jetzt wurde sie Vogel des Jahres 2020.

Sie ist ein Symbol für die Liebe, ihre Lebensbedingungen aber sind wenig romantisch. „Seit 1980 haben wir fast 90 Prozent dieser Art verloren, ganze Landstriche sind turteltaubenfrei“, sagt Heinz Kowalski vom Naturschutzbund (NABU). Das Problem: „Unsere kleinste Taube findet kaum noch geeignete Lebensräume. Zudem ist sie durch die legale und illegale Jagd im Mittelmeerraum bedroht.“ Weil die Streptopelia turtur stark gefährdet ist und mittlerweile auf der globalen Roten Liste steht, haben NABU und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) die Turteltaube zum „Vogel des Jahres 2020“ gekürt.

„Früher hat man das markante Gurren der Turteltaube an jedem Dorfrand oder Flussufer gehört“, sagt Norbert Schäffer, LBV-Vorsitzender. Denn Wildkräutersamen an Feldwegen und Feldfrüchte aus Zwischensaaten boten ausreichend Nahrung. „Heute brüten Turteltauben häufig auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in Weinbauregionen, wo sie noch geeignete Lebensbedingungen vorfinden.“ In Berlin gibt es laut Vogelschützer gar keine Turteltauben mehr. Zwischen 1925 und 1945 verschwanden sie aus den Grünflächen und Parks. 1972 entdeckten Vogelkundler zwar noch ein Revier auf dem Friedhof Marzahn. Doch das ist heute nicht mehr nachweisbar. Beobachtet werden, wenn auch selten, kann die kleine Taube nur noch auf ihrer jährlichen Zugroute durch Berlin.

Turteltaube lebt hauptsächlich
im Süden Europas

Die Turteltaube ist der erste vom NABU gekürte Vogel, der als global gefährdete Art auf der weltweiten Roten Liste steht. Heute brüten auf Bundesgebiet nur noch 12.500 bis 22.000 Paare. Die meisten der höchstens 5,9 Millionen Paare Europas leben in Spanien, Frankreich, Italien und Rumänien. Turteltauben sind die einzigen Langstreckenzieher unter den Taubenarten Mitteleuropas. Sie verlassen zwischen Ende Juli und Anfang Oktober Europa, um südlich der Sahara zu überwintern.

Die 25 bis 28 Zentimeter großen Vögel mit ihrem farbenfrohen Gefieder ernähren sich von Wildkräuter- und Baumsamen wie Klee, Vogelwicke oder Erdrauch. Leider sind diese Pflanzen bei Landwirten eher unbeliebt, weshalb die Taube seit den 1960er Jahren ihr Nahrungsspektrum angepasst hat. Der Anteil von Sämereien aus landwirtschaftlichen Kulturen macht nun in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets mehr als die Hälfte der Nahrung aus, statt wie früher nur 20 Prozent. Im Gegensatz zu Wildkrautsamen stehen diese aber nur für kurze Zeit bis zur Ernte zur Verfügung und fehlen während der kritischen Phase der Jungenaufzucht.

Turteltaube wird teils
aus "sportlichen Gründen" geschossen

Die Intensivierung der Landwirtschaft verschlechtert die Lebensbedingungen der Turteltauben laut NABU enorm – ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Jahresvögeln teilt. Die Ausweitung von Anbauflächen geht mit einem Verlust von Brachen, Ackersäumen, Feldgehölzen und Kleingewässern einher. Damit verschwinden Nistplätze sowie Nahrungs- und Trinkstellen. Viele Äcker werden außerdem mit Herbiziden von „Unkraut“ befreit. „Doch von genau diesen Ackerwildkräutern ernährt sich die Turteltaube. Außerdem ist chemisch behandeltes Saatgut vergiftete Nahrung für die Tauben“, sagt Heinz Kowalski. Der NABU kämpfe deshalb seit Jahren für eine EU-Förderung der Landwirtschaft, die Natur erhält statt sie zu schädigen. Eine zusätzliche Bedrohung ist die Vogeljagd im Mittelmeerraum. „Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die jährlich mehr als 1,4 Millionen in der EU legal geschossenen Turteltauben von der Art nicht mehr verkraftet werden können. Besonders skandalös: In manchen Ländern gilt das Schießen der stark gefährdeten Turteltauben als ,Sport‘ zum eigenen Vergnügen“, weiß NABU-Vogelschutzexperte Eric Neuling. Gegen Spanien und Frankreich hat die EU-Kommission sogenannte Vertragsverletzungsverfahren wegen des schlechten Erhaltungszustands der Art eingeleitet. Gegen vier weitere EU-Länder liegen offizielle Beschwerden vor.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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