Rathauscafé bekommt Gnadenfrist
Der Konflikt um die Schließung des beliebten Cafès Simit Evi auf dem Rathausvorplatz geht in die nächste Runde. Trotz Schließungsempfehlung vom Rechtsamt will das Bezirksamt den Vertrag vorerst bis Ende Juni verlängern – und in der Zeit ein weiteres Gutachten einholen.
„Es bestehen wesentliche Mängel, welche die Betriebssicherheit und Wirksamkeit der geprüften Anlagen beeinträchtigen“, heißt es im TÜV-Bericht zur Elektroanlage in dem Pavillon an der Müllerstraße. „Ein gefahrloser Nutzungsbetrieb kann im jetzigen Bauzustand (mindestens hinsichtlich der Elektroanlage) nicht gewährleistet werden“, urteilen auch die Ingenieure der bezirklichen Serviceeinheit Facility Management (SE FM). Und das Rechtsamt empfiehlt, „dass es bei der ausgesprochenen Kündigung und Beendigung des Vertragsverhältnisses bleiben sollte“.
Wie berichtet, wollte das Bezirksamt den Zehnjahresvertrag mit dem Café zum 31. März auslaufen lassen. Der Grund: ein maroder Gebäudezustand und dringend notwendige Sanierungsarbeiten. Der für Immobilien zuständige Stadtrat Carsten Spallek (CDU) und Chef der SE FM hatte ein Gutachten zum Rathauspavillon in Auftrag gegeben. Das Ingenieurbüro kam auf 616 000 Euro Sanierungskosten, inklusive Fenster und Fassaden. Darin enthalten: komplett neue Kabelverlegungen und ein neuer Hausanschluss, „da der Anschlusswert in Hinblick auf die aktuellen elektrischen Verbraucher nicht ausreichend dimensioniert ist“. Diese Investition rechne sich nicht, weil der Bezirk das Geld nicht mehr über Mieteinnahmen reinholen könne, so die Argumentation. Denn nach den Bezirksplänen soll der Café-Pavillon 2026 für den geplanten Anbau an die Schiller-Bibliothek abgerissen werden. Das Angebot der Betreiberin Özlem Özmen-Eren, die notwendigen Sanierungskosten selbst zu tragen, um bis zum Bibliotheksbau bleiben zu können, lehnt das Rechtsamt ab. Denn es gebe „negative Erfahrungen“ bei Gewerbemietverträgen, bei denen der Mieter die Sanierungspflicht übernommen hat.
Weil das Rathauscafé wichtig ist für den schwierigen Kiez und den Platz belebt, ist die Schließung ein Politikum. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und die Stadtteilvertretung mensch.müller hatten sich für den Erhalt des alkoholfreien Frühstückshauses ausgesprochen. Das Bezirksamt hat deshalb auf seiner Sitzung am 27. März beschlossen, trotz der fachlichen Stellungnahmen der bezirklichen Immobilienexperten und des Rechtsamtes, der Betreiberin eine Verlängerung des Mietvertrages bis zum 30. Juni anzubieten. In dieser Zeit soll ein weiteres Gutachten eingeholt werden. Das Bezirksamt will eine „unabhängige Bewertung der elektrotechnischen Installation im Objekt einschließlich Handlungsempfehlung und Kostenschätzung zur Aufrechterhaltung eines sicheren Anlagenbetriebs“, heißt es in dem Beschluss. Ein Gutachten zum Gutachten zum Gutachten also. Eine politische Entscheidung mit Risiko, denn im TÜV-Prüfbericht zur Elektroanlage steht: „Diese Mängel sind unverzüglich zu beseitigen.“
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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