Hebammen-Mangel verursacht große Besorgnis

Der Babyboom übt Druck auf das System der Geburtenhilfe aus. Auch für den Bezirk gilt: Wer seine Geburt betreut haben möchte, sollte sich bereits zum Zeitpunkt des positiven Schwangerschaftstests darum kümmern.

"Das System steht auf der Kippe"

Diesen Ratschlag erteilt Simone Logar, stellvertretende Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, angesichts des enormen Personalnotstands, für den sie die widrigen Arbeitsbedingungen verantwortlich macht: schlechte Bezahlung und hohe Haftpflichtversicherungsbeiträge für Freiberuflerinnen bei hoher Verantwortung. „Da verlassen viele ihren Beruf. Das System steht auf der Kippe." Die gestiegenen Geburtenzahlen pro Jahr – 2016 kamen rund 42 500 Kinder in Berlin zur Welt, 2500 mehr als 2015 – habe die Situation verschärft. „Hebammen betreuen in den Kliniken zum Teil drei bis vier Geburten gleichzeitig und müssen nebenher noch putzen und Telefondienst schieben. Die können nicht einmal auf Toilette gehen“, sagt Logar.

Aus dem Bezirksamt kommt die Bestätigung: Nach Erhebungen des hauseigenen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (KJGD) würden schätzungsweise nur zwischen 60 und 80 Prozent der jungen Familien von einer Hebamme betreut. Auch häuften sich die Beschwerden von Eltern. Der Zeitdruck der Hebammen sei spürbar, Termine würden nicht eingehalten oder ganz ausfallen. Der KJGD hat auf den Missstand reagiert und eine Palette von Beratungsangeboten auf die Beine gestellt. Gesundheitsstadtrat Carsten Engelmann (CDU) beobachtet die Entwicklung in der Hebammenversorgung bereits seit einiger Zeit mit Sorge. „Ich bin froh, dass wir mit dem KJGD Hilfestellungen bieten können. Eine adäquate Hebammenversorgung ist dadurch aber nicht zu ersetzen.“ Der Senat schraubt ebenfalls an der Verbesserung der Situation. Dilek Kolat, SPD-Senatorin für Gesundheit, bezog am 22. März im Abgeordnetenhaus Stellung und wies auf die wichtigsten Maßnahmen eines Aktionsprogramms hin: Ausbildungskapazitäten für den Beruf der Hebamme erhöhen, Akademisierung der Ausbildung vorantreiben, Arbeitsbedingungen für die Hebammen verbessern, von sachfremden Tätigkeiten entbinden und Beleghebammen bezüglich der hohen Versicherungsprämien entlasten.

Beratungen vom KJGD

Der KJGD bietet im Haus des Säuglings, Otto-Suhr-Allee 100, mittwochs 12-14 Uhr eine offene Stillgruppe an. Außerdem ist Mo/Di/Fr 10-12 Uhr, Do 16-18 Uhr unter 902 91 36 66 ein Beratungstelefon geschaltet. Die ärztlichen und sozialpädagogischen Sprechzeiten sind Mo-Do 14-16 Uhr.
Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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