Notlösung fürs kleine Geschäft: Urinal soll Obdachlose vom Wildpinkeln abhalten
Charlottenburg. Es ist eine Requisite wie man sie von Straßenfesten kennt. Aber kann das neue Pissoir der Notdurft von Hunderten Wohnungslosen entsprechen? Zwar handelt es sich nur um eine Lösung auf Probe – doch prompt führt solch ein Umgang mit dem kleinen Bedürfnis zu Kritik.
Bahnhof Zoo, Ausgang Jebensstraße – hier atmet man an heißen Tagen besser durch den Mund. Dass Behörden und Politiker Obdachlose jahrelang an die Wände pinkeln ließen, verstand nicht einmal der örtliche Streifenpolizist. Und nun: eine kleine Lösung für ein ebensolches Bedürfnis.
Direkt zu Füßen eines verwitterten Soldatendenkmals, an dem wegen des beißenden Geruchs niemand gerne verweilte, dürfen Wohnungslose jetzt in geregelten Bahnen Wasser lassen. Ziel des Strahls ist ein graues Kunststoff-Urinal. Einen Sichtschutz gibt es nicht, das Fassungsvermögen scheint begrenzt und der Andrang in der Jebensstraße ist im Wachsen begriffen.
So berichtete es der Berliner Woche jedenfalls Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission, Gastgeber für über 600 Bedürftige pro Tag. Und als solcher ein Kritiker des Sparens in puncto Hygiene: „Das Problem stinkt in der Tat zum Himmel“, bedauert Puhl eine folgenreiche Entscheidung. Denn 2011 fiel ein bereits vorhandener Hygienecontainer, der Toiletten und Duschen bot, Einsparungen zum Opfer – er kostete mehr als 11 000 Euro im Jahr. Damals entfernte ihn der Bezirk auch deshalb, weil der Zustand mit der Zeit sehr zu wünschen übrig ließ. Nun also ein neuer Vorstoß mit dem kostengünstigen und pflegeleichten Kunststoff-Pinkelbecken. Etwas, das der Bezirk als „Test“ verstanden wissen will. Im Erfolgsfall gibt es wohl mehr davon.
Dieter Puhl spricht ebenfalls von einer „Übergangslösung“, beklagt aber zugleich mehrere Probleme: Zum einen ist das Urinal für Frauen offensichtlich ungeeignet. Zum anderen fehle immer noch das Angebot zum Duschen. Zwar können Besucher der Bahnhofsmission auch die hauseigenen Toiletten kostenlos nutzen. Doch die geraten ans Limit. „Mehrmals im Monat gibt es Überschwemmungen bei uns, die Fäkalien laufen dann bis in unsere Büros“, berichtet der Leiter. „Hygiene ist mehr als ein Pinkelbecken“, hofft er auf ein weiteres Entgegenkommen der Verantwortlichen. „Es hat natürlich auch etwas mit Würde und Schutz und Intimität zu tun, auch mit der Herausgabe von Seife, Einwegrasierern, Tampons, Kämmen und Bürsten.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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