Rote Rosen am „Waldorf Astoria“: die Rückkehr von „Blumen Range“

Zu Füßen des „Waldorf Astoria“: Geschäftsführer Michael Riegel und Wirtschaftspolitiker Roland Prejawa am neuen Standort von "Blumen Range". | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg. Einst war das Lädchen ein Vorposten des schummrigen Aschinger-Hauses. Jetzt sitzt „Blumen Range“ plötzlich im Sockel eines der teuersten Hotels der Stadt. Die Geschichte einer Auferstehung, knapp 40 Jahre nach der Gründung.

Ein Krater voller Baumaschinen. Das ist alles, was vom anrüchigen Häuserblock übrig blieb, dessen Schmuddelimage ein Blumenladen kaschierte. Der verschwand Anfang 2015 mitsamt des Sammelsuriums von Erotikangeboten und fettiger Gastronomie. Und noch bevor Investor „Hines“ die Gebäudehülle des Aschinger-Hauses niederriss, um das Fundament für einen Neubau zu gießen, hatte man deutlich gemacht, das die alte Mieterschaft nicht das sei, was man sich für diesen Standort erhoffe.

Kein Platz mehr für Traditionsgeschäfte wie „Blumen Range“ im aufstrebenden Berliner Westen? Irrtum! Man blicke nur auf die andere Seite der Joachimsthaler Straße. Hier vollzog sich nun eine seltsame Symbiose. Am Fuße des Luxushotel „Waldorf Astoria“ sitzt auf einmal eben jener unkapriziöse Laden, der aus dem Wettbewerb verdrängt schien.

Wenig Laufkundschaft

„Die Leute müssen uns aber hier erst finden“, dämpft Michael Riegel die Erwartungen. Als einer der beiden Geschäftsführer von „Blumen Range“ lebt er am neuen Standort keineswegs sorgenfrei, kämpft man doch mit einer vielfach höheren Miete und den Eigenarten des Passantenstroms. Der ergießt sich nämlich immer noch auf der anderen, der alten Straßenseite.

Dabei bringt das neue Ladenlokal eigentlich Finessen mit, die es leicht machen, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Co-Geschäftsführer Murat Yilmaz dreht an einem Regler. Und die Illuminierung der Rosen springt von Weiß auf Pink und auf Rot. Ein Quantensprung zum alten Laden am Beate-Uhse-Haus, der sich hinter einer Plastikplane verbarg.

Dass jener an der Ecke Hardenberg- und Joachimsthaler Straße halb im Gebäude lag und halb auf dem Bürgersteig hinter der Plane, liegt in der Entstehungsgeschichte begründet. Karl-Ernst Range, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Bruder des bekannten Generalbundesanwalts Harald Range, eröffnete den Shop eigentlich nur als Gefälligkeit für den damaligen Besitzer des Gebäudes. So wollte man verhindern, dass Herrschaften an dieser Ecke ihre Notdurft verrichten. Aus dieser Verlegenheitslösung erwuchs ein Geschäft, das über die Jahrzehnte mit immer höheren Einnahmen immer höhere Mietforderungen bediente. Bis zum bitteren Ende. Mehrere Monate nach der Schließung und 15 Jahre nach dem Tod von Karl-Ernst-Range – die Auferstehung im Sockel des Hotelturms.

Politik begrüßt die neue Lösung

So schwierig sich die Rückgewinnung der Kunden gestaltet, so günstig scheint der neue Sitz in anderer Weise: Das Hotel lässt sich vom neuen Nachbarn beliefern. Man holt die Ware ganz diskret durch einen Innentür. Ein Blumenladen mit Durchreiche zum Luxushotel – wer hätte das gedacht?

„Solchen unternehmerischen Mut braucht Berlin“, lobt Roland Prejawa, Grünen-Politiker und Vorsitzender des BVV-Wirtschaftsausschusses, die neue Lösung. Er hatte für den Verbleib von kleinen Läden wie „Range“ in der aufstrebenden City West gekämpft. Und schien damit zeitweilig auf verlorenem Posten zu stehen. Aber für Prejawa ist die Verdrängungsgefahr auch jetzt noch nicht gebannt: „Es wäre schade, wenn zwischen den neuen Tummelplätzen für Superreiche der individuelle Charme verloren geht.“

Michael Riegel und Murat Yilmaz, die Karl-Ernst Range als „väterlichen Freund“ sahen, halten auch Wand an Wand mit dem „Waldorf Astoria“ fest an dem Prinzip, dass ein erfolgreicher Blumenladen möglichst niemals schließen darf. Keiner hat rote Rosen so nötig wie jemand, der nach Wiedergutmachung trachtet. „Wir sind immer noch die Entschuldigung aller reuigen Männer“, erzählt Riegel mit einem Schmunzeln. Und die Reue kommt eben gern zu später Stunde. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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