Auf dem selben Dampfer
Besucherdienst als ehrenamtliches Engagement
"Ich kann Ihnen auch gleich einige Bilder herunterladen", sagt Wolfgang Gerszonowicz. "Haben Sie einen Stick dabei?"
Normalerweise ist das kein ungewöhnliches Angebot. Außer jemand ist 90 Jahre alt wie Wolfgang Gerszonowicz. Aber mit Computern und dem World Wide Web kennt er sich aus. "Wenn ich da ein Problem habe, frage ich ihn", meint Daniel Diederichs, genau 40 Jahre jünger.
Die beiden bilden nicht nur beim digitalen Austausch ein kongeniales Gespann. Auch die gemeinsame Liebe zum Schachspiel teilen sie. Und für Ausflüge, Theater- oder Museumsbesuche ist Wolfgang Gerszonowicz ebenfalls gerne zu haben. Selbst im "Welt-Ballon" an der Zimmerstraße ist er bereits 120 Meter hoch geflogen. Der Rollator, den er als Gehhilfe benötigt, blieb auf dem Boden.
Zusammen gebracht hat die beiden Männer der ehrenamtliche Besuchsdienst der Diakonie Haltestelle Friedrichshain-Kreuzberg. Freiwillige kümmern sich dort um ältere, oft auch pflegebedürftige Menschen. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Freizeitgestaltung, Anregung, Teilhabe.
Wolfgang Gerszonowicz ist dafür ein gutes, fast ein Paradebeispiel. Der Witwer hat viele Interessen, zeigt sich immer noch neugierig. Aber allein wäre vieles nicht machbar. Deshalb hat er sich vor etwa einem Jahr an den Besuchsservice gewandt. Und traf auf Daniel Diederichs.
Der gehört zu aktuell rund 30 Menschen, die diese besondere Betreuung in Friedrichshain-Kreuzberg leisten. Warum? Zum einen, weil es eine sinnvolle Arbeit sei. Und vielleicht habe er sich auch dafür gemeldet, weil er selbst sehr früh seinen Vater verloren habe. Was zumindest teilweise das Verhältnis zu Wolfgang Gerszonowicz beschreibt.
Die Gründe, warum sich jemand bei diesem Projekt engagiert, wären sehr unterschiedlich und individuell, sagt Leiterin Kathrin Strumpf. Eine Frau mache zum Beispiel mit, weil sie weitab von Berlin eine pflegebedürftige Mutter habe. Um die kann sie sich nicht kümmern, deshalb leiste sie ähnliches hier.
Wer sich für diese Aufgabe interessiert, wird zuvor entsprechend qualifiziert. Auch ein Führungszeugnis ist Voraussetzung. Nicht alle Kunden sind so pflegeleicht, wie das bei Wolfgang Gerszonowicz der Fall zu sein scheint. Auch Demenzkranke werden durch den Besuchsdienst betreut. Da stehen vor allem Singen, Vorlesen oder Erzählen im Mittelpunkt. Momente der Abwechslung, gepaart mit Erinnerung.
Wer zu wem passen könnte, darüber mache sie sich im Vorfeld einige Gedanken, erklärt Kathrin Strumpf. In den meisten Fällen habe sie bisher auch richtig gelegen. Die Besuchstermine sind in der Regel ein Mal die Woche für etwa eine Stunde. Wolfgang Gerszonowicz und Daniel Diederichs scheinen diese Frist aber nicht selten auszudehnen. Etwa vor kurzem, als sie eine Dampferfahrt auf dem Wannsee und den umliegenden Gewässern machten. Das war dann eher eine Tagesreise.
Die Herren haben sich auch ausreichend Zeit genommen, um über ihre Aktivitäten und ihr Verhältnis zu erzählen. Auch einiges Persönliche war zu erfahren. Wolfgang Gerszonowicz wurde in Wedding geboren, ist aber seit 80 Jahren Kreuzberger. Gearbeitet hat der gelernte Werkzeugmacher zuletzt im Deutschen Technikmuseum, damals noch Museum für Verkehr und Technik. Er hat zwei Kinder, die Tochter lebt in Berlin, der Sohn in Dortmund. Mit ihm hält der Internetaffine den Kontakt per Skype. Ebenso wie mit einem Enkel, der sich zur Zeit in Panama aufhält. Daniel Diederichs hat die meiste Zeit seines Lebens in Italien verbracht. Erst vor vier Jahren kam er nach Deutschland zurück. Auch beruflich arbeitet er bei der Diakonie.
Aber irgendwann vermittelt das Duo den Eindruck, es sei alles gesagt. Denn inzwischen wurde das Schachbrett aufgebaut. Okay, noch ein Foto. Aber dann bitte, Konzentration auf das Spiel. Die beiden wollen jetzt unter sich sein.
Die Diakonie Haltestelle Friedrichshain-Kreuzberg befindet sich in der Oranienstraße 134, ¿25 92 14 50, E-Mail strumpf@diakonie-kreuzberg.de, Internet www.diakonie-haltestelle.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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