Köpenickerin im Interview
Europawahl 2019: Celina zog für Mamas Liebe in die Normandie

Celina Staletzki zog 2006 (li.) als Schülerin der 1. Klasse von Berlin Köpenick nach Frankreich und lebt heute in der nordfranzösischen Normandie. Die einst junge Auswanderin ist inzwischen erwachsen und studiert in Caen.  | Foto: privat / pixabay stux + GregMontani
  • Celina Staletzki zog 2006 (li.) als Schülerin der 1. Klasse von Berlin Köpenick nach Frankreich und lebt heute in der nordfranzösischen Normandie. Die einst junge Auswanderin ist inzwischen erwachsen und studiert in Caen.
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BERLIN - Junge Menschen sehen das europäische Parlament auch kritisch - zum Beispiel verfehlte Klimaziele und Bürokratie. Während Populisten vor zuviel Einheit warnen, findet Celina Staletzki, dass unser Europa das Beste ist, was ihr passieren konnte. Die Köpenickerin zog mit 7 von Berlin nach Frankreich. Die Geschichte der heute 20-Jährigen und warum ihr wählen sollt.

Es ist kurz nach 18 Uhr. Endlich Schulschluss. Von der Uni zum McDonalds sind es nur 5 Minuten Fußweg. Celina jobbt seit 2017 beim Burgerbrater in Caen. In der Hafenstadt der nordfranzösischen Normandie wohnt die Köpenickerin und muss sich ihr Geld nach dem Studium selbst verdienen. "Mc Donalds ist okay. Man kann seine Schichten dort flexibel umtauschen - und irgendwie muss ich mir ja meine Miete verdienen." Die 20-Jährige wohnt in einer 1-Zimmerwohnung am Stadtrand von Caen. Da zahlt man vergleichsweise günstige 400 Euro warm. "So schlimm ist es nicht hier draußen, gerade wenn in der Stadt die Studentenfeiern bis tief in die Nacht gehen." 

Anfangs war Celina die Attraktion

Seit ihrem 18. Lebensjahr wohnt sie allein in Caen, ist von ihrer Mutter, die auf dem Land in Frankreich lebt, weggezogen. 40 Kilometer ist sie von ihr getrennt. Die Alleinerziehende zog 2006 mit Celina von Berlin Spindlersfeld (Bezirk Köpenick) nach Frankreich. Der Liebe wegen. Da war ihre Tochter erst 7. "Mama hat sich in einen Franzosen auf der Hochzeit von meiner Tante verliebt." Dann ging alles sehr schnell. Für Celina war es damals der Sprung ins kalte Wasser. "Ich konnte gar kein französisch; nur Baguette und Croissant sagen." Als sie damals in die 2. Klasse eingeschult worden war, stieß sie nicht auf Abneigung. Im Gegenteil. "Die Schüler waren begeistert. Ich war die Attraktion. Denn die Kinder hatten noch nie eine Deutsche gesehen."

Deutsche die Besten oder schlecht

Doch das man EU-Einwohnern außerhalb der eigenen Grenzen besser misstrauisch bleiben sollte, ist keine Erfindung der Populisten der Rassemblement National (bis 2018 Front National) in Frankreich oder unser AfD (Alternative für Deutschland) hierzulande. "Die Franzosen sehen uns als die Besten oder die schlechten", weiß Celina. Dazwischen gäbe es laut der Studentin nicht viel. Oftmals ginge Intoleranz von den Eltern der Kinder aus, die es nicht gut finden, wenn man Umgang mit den Deutschen hätte. "In der 4. und 5. Klasse wurde ich gemobbt, weil ich Deutsche bin. Man sagte zu mir, ich solle in mein Land zurück." Wohlgemerkt sagten das 10- und 11-Jährige zu ihr. Bis zur 7. Klasse gingen diese Anfeindungen. Heute wachsen die Menschen in Europa zusammen - trotz Jugendarbeitslosigkeit und Frust. "Ich erlebe keine Anfeindungen mehr."

Durch die EU ist Studium leichter

Im Gegenteil, in Frankreich sieht man es positiv, wenn man zweisprachig aufwächst. Celina selbst hat sich die französische Sprache allein beigebracht. Spricht heute fließend ihre neue Heimatsprache. Zweisprachigkeit sei in französischen und internationalen Firmen sehr gefragt. Celina ist froh trotz aller berechtigten Kritik, in einem freien Europa zu leben. Nach ihrem Studium will sie Eventmanagerin werden. Bis dahin nutzt die 20-Jährige jene Möglichkeiten, die man erst durch die EU gewährt bekam. "Ich kann als Studentin Austauschprogramme machen; Studiengänge in Italien werden ebenso anerkannt wie ein Praktikum in Berlin. Alles ist viel leichter als ohne ein vereintes Europa." 

Als der Terror nach Frankreich kam

Celina wuchs in einer Zeit auf, wo der Terror besonders in Frankreich blutig war. 13. November 2015 in Paris oder Nizza am 14. Juli 2016. "Auch hier ist der Hass auf Islamisten, Türken und Arabern vorhanden." Aber es gebe auch einen guten Zusammenhalt. "Wenn in Caen der 'Karneval der Studenten' ist, hat man ein mulmiges Gefühl. 25.000 Menschen sind auf einem Haufen. Der Gedanke an einen Anschlag ist immer da." Und doch ist Celina immer dabei. "Auf dem Karneval sind Studenten aus allen Nationen und Glaubensrichtungen - auch Moslems. Ein gutes Gefühl, dass junge Menschen so friedlich und tolerant feiern können."

Führerschein machen ist hier anders

Aber was ist eigentlich völlig anders in Frankreich und was könnten junge Leute an unseren europäischen Nachbarn krass und cool finden? Da wäre zum Beispiel der Führerschein. "Hier in Frankreich kann man sich die Theorie für 30 Euro per App aneignen." Man muss also nicht seine Pflichtstunden in der Fahrschule absitzen, sondern die Prüfung am Ende bestehen. Fahrstunden könne man sich bei verschiedenen Fahrlehrern über eine App aussuchen. Es gebe auch keinen Erste Hilfe Kurs wie in Deutschland. "Der ist freiwillig. Was du machen musst, ist ein sogenannter 'militärischer Tag'. Allerdings nur, wenn man Französin oder Franzose ist." Celina brauchte diesen nicht zu absolvieren. Beim militärischen Tag gebe es zwar auch eine Art erste Hilfe Prüfung. Aber statt den ganzen Tag an Puppen Mund-zu-Mund Beatmung zu üben, sei ein Tag für das Land entscheidender. Auch das ist Europa.

Die erste Liebe kam über eine App

Ich darf ein wenig intimer Fragen, denn immerhin hat Celina ihre Teenagerzeit in Frankreich erlebt. Wie ist das so mit den französischen Jungs? Celina lacht verlegen. "Ich wurde bis heute noch nie ausgeführt oder eingeladen. Bei einer Datingapp habe ich einen Mitschüler von früher wiedergefunden. Als er mich besucht hat, haben wir uns die Stadt angeschaut und sind Sushi essen gegangen." Ansonsten ist die gebürtige Berlinerin derzeit Single. 

Berliner Clubs sind echt viel besser

Zwei Sachen findet Celina in Frankreich komisch. Die Musik, welche in Caen in den Clubs läuft. Es sei meist nur französischer Rap. "Da sind die Berliner Clubs echt viel, viel besser." Und Silvester ist in Frankreich öde. "Für privates Feuerwerk braucht man eine Genehmigung. Man sitzt hier Mitternacht am Tisch und wünscht sich halt ein gutes neues Jahr. So wie in Berlin wird hier nicht ins neue Jahr gerutscht." Vielleicht kommt Celina nach ihrem Studium zurück in unsere Hauptstadt. Europa, das war für sie ein völlig neues Erlebnis, nicht immer einfach und heute eine große berufliche Chance. "Geht am Sonntag wählen", sagt Celina. Einiges macht wütend, muss besser werden innerhalb der EU. Und trotzdem: "Dass wir jungen Menschen hier leben dürfen, ist einfach toll."

Autor:

Marcel Adler aus Friedrichshain

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