Keiner wollte das Hotel
Eine skurrile Baugeschichte an der Skalitzer Straße

Wohnungen wird es auf dem Grundstück an der Skalitzer Straße nicht geben. Aber auch kein Hotel. | Foto: Thomas Frey
  • Wohnungen wird es auf dem Grundstück an der Skalitzer Straße nicht geben. Aber auch kein Hotel.
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Der geplante Hotel- und Hostelkomplex an der Skalitzer Straße 122/126 wird nicht gebaut. Und darüber scheinen alle froh zu sein.

Die Aktivisten aus dem Kiez, die massiv dagegen mobil gemacht haben. Die Ideal-Versicherung als Eigentümer des Grundstücks, die mit der vorgesehenen Herberge ebenfalls nicht besonders glücklich war. Gleiches gilt anscheinend für das Stadtplanungsamt, obwohl dort bisher auf das Hotel bestanden wurde.

Niemand wollte also dieses Bauvorhaben, trotzdem sollte es errichtet werden. Warum das so war, ist eine skurrile Planungsgeschichte, die mit den sich teilweise veränderten Vorgaben im Baurecht zusammen hängt.

Wie ebenfalls bereits beschrieben, steht das Grundstück unter dem Status eines "beschränkten Arbeitsgebiets". Das bedeutet, ein Gewerbebau ist dort erlaubt, aber keine Wohnungen. 2010 wurde das Areal, auf dem sich bisher ein Autohaus befand, zum ersten Mal verkauft. Der neue Eigentümer entwickelte seine Hotelpläne, gegen die zu diesem Zeitpunkt keine Einwände bestanden. Etwa drei Jahre später ging das Grundstück an die Ideal Versicherung. Einschließlich der Vorgabe für einen Beherbergungsstandort. Die wollte der neue Besitzer danach in Richtung Büro und Gewerbe verändern, scheiterte aber.

Chemieunfall schränkt Bebauung ein

Der Grund dafür war zunächst die sogenannte Seveso-Richtlinie. Sie besagte, dass im 500-Meter-Umkreis von Firmen, die mit Chemikalien hantieren, die 1976 zur Katastrophe in der italienischen Stadt Seveso geführt haben, keine Neubauten mehr entstehen dürfen. Bestehende oder bereits genehmigte Gebäude wurden davon aber nicht berührt. Unweit der Skalitzer Straße befindet sich bis heute ein Galvanikbetrieb, der unter die Seveso-Richtlinie fällt. Das bedeutete, eine Umplanung war dort nicht mehr möglich. Nur die Hotelvorgabe ließ sich noch realisieren.

Das änderte sich im Sommer 2018, als die Seveso-Einschränkungen entscheidend aufgelockert wurden. Neubauten sind seither auch in so einem Gebiet wieder möglich. Auch solche mit ziemlich vielen Beschäftigten, wie etwa ein Geschäftshaus. Maßgeblich ist jetzt etwas anderes. In einem solchen Gebäude dürfen sich nicht mehr als 50 Personen gleichzeitig als Kunden oder Gäste aufhalten. Unter diesen Voraussetzungen ließe sich ihre Büro- und Gewerbe-idee jetzt doch noch umsetzen, fand die Ideal Versicherung und wurde damit erneut vorstellig.

Angst vor weiterer Touristifizierung

In Sachen Seveso gab es jetzt wirklich keine Hürden mehr. Aber das Stadtplanungsamt sah ein anderes Problem. Nämlich eine zu große avisierte Baumasse. Dagegen wurde vom Eigentümer wiederum Widerspruch bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingereicht. Der wäre wahrscheinlich ebenfalls negativ beschieden worden. Aber dann spitzten sich die Ereignisse zu. Denn eingedenk dieser Situation liefen gleichzeitig die Vorbereitungen für den Hotelkomplex an. Das rief die Gegner auf den Plan, die den Bau als weiteres signifikantes Beispiel für eine Touristifizierung und Gentrifizierung im Kiez geiselten und dagegen vehementen Widerstand ankündigten. "Wir hängen doch gar nicht an dem Hotel", stellte daraufhin die Ideal Versicherung klar. Aber alles Versuche, das zu ändern, wären bisher gescheitert.

Das änderte sich jetzt. Es kam endlich zu einem Gespräch zwischen Bezirksamt und Ideal, die Pläne für die riesige Gästeunterkunft wurden begraben. Stattdessen soll ein Büro- und Gewerbegebäude entstehen. Allerdings in abgespeckter Version als ursprünglich geplant. Auch gemeinwohlorientierte Initiativen und Institutionen sollen dort Räume bekommen. Zumindest habe sich Ideal dafür offen gezeigt, erklärte Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). In welcher Form und Größenordnung sei jetzt, wie noch manches anderes, Ergebnis des weiteren Aushandlungsprozess.

Dort haken die Aktivisten ein und fordern eine breit angelegte Bürgerbeteiligung. Manchen scheint es nicht ganz leicht zu fallen, aus dem bisherigen Kampfmodus herauszufinden. Schon deshalb, weil ihr Einsatz zwar erfolgreich und ziemlich entscheidend für die jetzige Lösung war. Gleichzeitig haben sie damit aber im Interesse des Investors gehandelt. Was manch einer erst einmal mit seinem Weltbild in Einklang bringen muss.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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