Berlin Story Bunker zeigt Mammutausstellung über Adolf Hitler

Ausstellungsmacher Wieland Giebel vor der Wand, die von der weltweiten medialen Beschäftigung mit Hotler zeugt. Auch manche Legenden will die Schau im Berlin Story Bunker zurecht rücken. | Foto: Thomas Frey
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  • Ausstellungsmacher Wieland Giebel vor der Wand, die von der weltweiten medialen Beschäftigung mit Hotler zeugt. Auch manche Legenden will die Schau im Berlin Story Bunker zurecht rücken.
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Kreuzberg.Die Schau beginnt mit dem nicht nachlassenden Interesse an dieser Person: Eine Wand ist voll mit Titelbildern von Zeitschriften, die Adolf Hitler zum Thema haben.

Erwartet den Besucher also eine Personalityshow dieses einzigartigen Massenmörders der Menschheitsgeschichte? Es dauert gut zwei Stunden, um diese Frage abschließend zu beantworten. Soviel Zeit sollte mindestens eingeplant werden, um sich "Hitler – wie konnte es geschehen" im Berlin Story Bunker an der Schöneberger Straße anzuschauen. Die Ausstellung führt durch mehr als 40 Räume verteilt auf drei Etagen. Integriert ist darin das bereits im vergangenen Jahr eröffnete Schlusskapitel über den Führerbunker.

"Hitler ist heikel", diese Aussage fand sich in der Einladung für die Pressepräsentation am 27. Juli. Damit verweisen Wieland Giebel und Enno Lenze, die beiden Macher des Berlin Story Bunker, auf die Sensibilität des Themas. Aber es sei möglich, diese furchtbare Biografie so darzustellen, dass daraus niemand irgendwelche positiven Ansätze ziehen könnte, ist Wieland Giebel überzeugt. Und trotz zahlreicher Beschäftigung mit dem "Führer" sieht er gerade beim Gesamtbild noch Defizite. Es habe bisher in Berlin keinen Ort gegeben, der alle schrecklichen Auswirkungen dieser (Un-)Person in den Blick genommen habe. Das macht die Schau. Wer sich auf sie einlässt, ist gegen jedes Verständnis für die Taten des Adolf H. immun.

Zwar taucht der auch als abgelehnter Kunststudent, Aquarellmaler oder Bewohner eines Wiener Männerheims auf; seine verworrene Familiengeschichte wird ebenso dargestellt, wie verschiedene Verschwörungstheorien, die ihn nach seinem Ende wahlweise in Spanien oder Südamerika vermuteten. Aber das immer mit dem Untertitel der Ausstellung als Leitfaden: Wie konnte das geschehen?

Zahlreiche Erklärungsversuche

Darauf gibt es einen ganzen Komplex an Erklärungsversuchen. Nahezu alles, was die historische Forschung dazu ausgegraben und publiziert hat, wird irgendwie und irgendwo erwähnt. Die Erfahrungen im Ersten Weltkrieg. Das Entdecken des Redetalents. Willfährige Anhänger. Das Erschaffen eines kruden Weltbildes, das vor allem aus zwei Komponenten bestand: die Revision des Ersten Weltkriegs sowie der bis zur organisierten physischen Vernichtung wütende Antisemitismus. Dass beides nach 1933 zur Staatsdoktrin werden konnte, lag nicht zuletzt an den äußeren Umständen in den Jahren zuvor: die unsichere Situation der Weimarer Republik mit Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise gepaart mit der Sehnsucht nach einem "starken Mann", dazu die Intrigen und Winkelzüge. Gleiches gilt für die lange anhaltende große Zustimmung des Volkes zum "Führer" in den Jahren des "Dritten Reichs". Mögen viele Aufmärsche oder Auftritte Hitlers inszeniert gewesen sein, die Begeisterung, das wird herausgestellt, war echt. Ihren Höhepunkt erreicht sie im Sommer 1940 nach dem siegreichen Frankreichfeldzug im Zweiten Weltkrieg. Die Rückkehr des Diktators nach Berlin gleicht einer Massenhysterie. In einer langen Filmsequenz ist seine Ankunft am Anhalter Bahnhof und die anschließende Fahrt zur Reichskanzlei in der Wilhelmstraße zu sehen. Er legt den Weg umringt von begeisterten Volksgenossen zurück, die sich wie in einem kollektiven Drogenrausch aufführen.

Das Volk als Komplize

Vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis der Schau: Es konnte geschehen, weil die übergroße Mehrheit einverstanden war. Deren Wohlwollen wurde mit vielen Wohltaten unterfüttert und machte sie dadurch zu Komplizen. Das sorgte bis weit in den Krieg und trotz der Bombenangriffe für eine Anhänglichkeit an den "Führer". Sie war sehr früh auf Verbrechen aufgebaut. Darauf verweist die Ausstellung mehrfach, aber nirgendwo so schrecklich einprägsam wie mit einer Bilderfolge vom Sommer 1941 aus dem Ghetto Lemberg. Es gibt viele Fotografien aus Konzentrations- und Vernichtungslagern oder von Massenerschießungen. Die Aufnahmen aus Lemberg zeigen den Schritt davor. Zu sehen sind meist nackte und schon dadurch völlig erniedrigte Menschen. Viele Bilder fokussieren sich auf eine einzelne, verzweifelte Person, was die Eindringlichkeit und die Grausamkeit noch verstärkt. Sie sind der größtmögliche Kontrast zu jedem Versuch in der Schau, den Ansatz eines positiv-gefärbten Hitler-Bildes zu entdecken. Vielmehr stehen sie als Ergebnis für die Existenz eines Verbrechers, mit dessen Erbe wir noch lange nicht fertig sind. tf

Die Ausstellung im Berlin Story Bunker, Schöneberger Straße 23a, ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet zwölf, ermäßigt neun Euro. Weitere Infos unter www.BerlinStory.de.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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