"Eine andere Vorstellung von Transparenz
Dialog und Dissonanz um die Markthalle Neun

Jugendliche aus vielen Ländern demonstrierten im Februar gegen die angebliche Gentrifizierung in der Markthalle Neun.  | Foto: privat
  • Jugendliche aus vielen Ländern demonstrierten im Februar gegen die angebliche Gentrifizierung in der Markthalle Neun.
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Die angekündigte Dialogwerkstatt zur Markthalle Neun sollte eigentlich Mitte März stattfinden. Tut sie aber nicht. Der Termin werde "nicht zu realisieren sein", erklärte das Bezirksamt Anfang des Monats auf Nachfrage. Auch Corona diente dabei als Begründung. Denn es müsse berücksichtigt werden, "dass von größeren Veranstaltungen im Moment eher abgeraten wird."

Die Gegner des derzeitigen Markthallenbetriebs an der Eisenbahnstraße und des Dialogverfahrens werden sich durch den Aufschub erneut bestätigt fühlen. Für sie ist das gesamte Beteiligungsprocedere ohnehin ein "Fake", wie schon zuvor verkündet wurde. Unabhängig von solchen Beurteilungen hat es zumindest bisher die Fronten nicht aufgeweicht.

Initiiert wurde der Dialogprozess nach den Auseinandersetzungen um die Markthalle im vergangenen Jahr. Ausgangspunkt dafür war, wie mehrfach berichtet, die Kündigung für den Aldi in dem Gebäude. Im Aus für den Discounter sahen viele Anwohner einen weiteren Beweis für die fortschreitende Gentrifizierung. Außer bei Aldi gebe es in de Halle vor allem hochpreisige Angebote, für Kunden mit wenig Geld kaum erschwinglich. Aber von ihnen gebe es eine Menge in der Nachbarschaft. Sie seien auch gar nicht mehr die Zielgruppe. Vielmehr Hipster, Touristen, zahlungskräftiges Publikum aus anderen Bezirken, angelockt von Events wie dem "Streetfood Thursday", mit dessen Masseninteresse die Anwohner klarkommen müssen. Dabei habe das Konzept einst eine "Halle für alle" vorgesehen.

Bisher 36 "Kiezgespräche geführt

Der Protest hatte zur Folge, dass der Aldi erst einmal bleiben konnte. Auch wenn die Betreiber kein Geheimnis darum machten, dass er ihnen nicht ins Konzept passt – schon weil er potentielle Kundschaft von anderen Marktständen abziehe. Die vor allem an dem Discounter aufgehängten Dissonanzen sollten deshalb durch ein Dialogverfahren erörtert, wenn möglich befriedet werden. Dessen Ablauf stieß bei den Gegnern aber von Beginn an auf Widerstand.

In einer ersten Phase ab vergangenen Herbst wurden zunächst Menschen in der Umgebung befragt. Dabei ging es aber nicht allein um den vorhandenen Konflikt, sondern auch um Essgewohnheiten oder das erwartete Lebensmittelangebot. 36 solcher "Kiezgespräche" hätten bisher stattgefunden und seien auch noch nicht abgeschlossen, erklärte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne) in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Ende Februar. Dazu hat es Anfang des Jahres eine "Woche des Dialogs" in der Markthalle gegeben. Dabei wären 1200 Fragebögen ausgefüllt und eingereicht worden. Deren Auswertung wurde ebenfalls als ein Grund genannt, warum das Datum für die Werkstatt noch nicht genannt werden konnte.

Das alles seien Nebelkerzen, die vom Wesentlichen ablenken würden, befand die Gegenseite. Sie sammelte ihrerseits 5290 Unterschriften, die im Januar an Raed Saleh, Fraktionsvorsitzender der SPD im Abgeordnetenhaus, übergeben wurden. Saleh war nicht zuletzt deshalb der Adressat, weil er sich, ebenso wie seine Genossinnen und Genossen in Friedrichshain-Kreuzberg, gegenüber ihren Forderungen offen gezeigt hatte. Neben dem Aldi-Erhalt beinhalteten die auch ein Ende von exklusiven Events in der Halle oder, bei nicht Umsetzen der Forderungen, eine mögliche Rekommunalisierung des Betriebs.

Gesunde Ernährung zu bezahlbaren Preisen

Monika Herrmann stellte dagegen heraus, dass sich auch die Betreiber auf das Dialogverfahren eingelassen hätten. Insgesamt gehe es auch um gesunde Ernährung zu bezahlbaren Preisen. Dass dabei zumindest was erstes betrifft, die bio-regionale Ausrichtung der Markthalle gerade in ihrer Partei einige Anhänger hat, liegt auf der Hand. Und nicht nur deshalb ist das auch eine politische Debatte. Die Bürgermeisterin vertrat außerdem die Meinung, dass es „mitnichten nur um Aldi bleibt“ gehe. Denn dessen Verbleib oder Auszug liege in der Entscheidung der Vertragspartner, also des Discounters und der Hallenbetreiber.

Eine Einschätzung, die allerdings nicht durchgehend so gesehen wurde, mit Verweis darauf, dass die Aldi-Turbulenzen ein wichtiger Grund für das Dialogverfahren gewesen waren.

Monika Herrmann musste seit vergangenem Herbst regelmäßig Auskunft zum Stand und Fortgang des organisierten Dialogs geben. Verantwortlich dafür waren Einwohneranfragen von Stefanie Köhne, eine der Sprecherinnen der Anti-Markthalle- und Pro-Aldi-Bewegung. Im Disput der beiden wurden unterschiedliche Interessen und Vorstellungen, etwa darüber, was eine „Halle für alle“ bedeutet, deutlich. Auch darüber, wie Beteiligung organisiert, Meinungen aufgenommen werden, insgesamt der „Dialog“ abläuft, war man unterschiedlicher Meinung. Das alles wurde auch ausgedrückt in der Aussage von Monika Herrmann in Richtung Stefane Köhne: "Ich habe eine andere Vorstellung von Transparenz als Sie".

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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