Erinnerung an eine sehr mutige junge Frau
Liselotte Herrmann starb in Plötzensee unter dem Fallbeil der Nazis

Mit einer Gedenkveranstaltung zum 111. Geburtstag von Lieselotte Herrmann wurde die neue Informationstafel an der Skulptur „Mutter mit Kind“ auf dem Freiaplatz eingeweiht. | Foto: Bernd Wähner
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  • Mit einer Gedenkveranstaltung zum 111. Geburtstag von Lieselotte Herrmann wurde die neue Informationstafel an der Skulptur „Mutter mit Kind“ auf dem Freiaplatz eingeweiht.
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Wem ist die Skulptur „Mutter mit Kind“ auf dem Freiaplatz gewidmet? Eine neue Gedenktafel gibt Antwort auf diese Frage: Liselotte Herrmann.

2016 wurde auf Initiative des Projektbeirats Frankfurter Allee Nord an dieser Plastik bereits eine Plakette angebracht. Sie weist darauf hin, dass das Kunstwerk von der Bildhauerin Sabina Grzimek stammt, die auch zur Einweihung der Gedenktafel kam, und 1984 aufgestellt wurde. Doch die Geschichte der Skulptur geht noch weiter zurück. Bereits 1975 fertigte die Künstlerin den ersten Entwurf an. Bis 1981 stellte sie die Originalplastik dann fertig, die von der Firma Horst Borchardt in Bronze gegossen wurde.

Auf dem Freiaplatz ist das Kunstwerk dann 1984 aufgestellt worden. Dort wurde die Plastik auch belassen, als die Grünanlage 2013 umgestaltet wurde. Bislang fehlte aber jeder Hinweis darauf, wem Sabina Grzimek diese Bronzeplastik widmete. Deshalb beschloss die Gedenktafelkommission des Bezirks auf Anregung der Lichtenberger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, eine Schrifttafel in Auftrag zu geben.

Darauf ist nun unter anderem zu erfahren: „Die Skulptur ist Liselotte Herrmann (23. Juni 1909-20. Juni 1938) und ihrem 1934 geborenen Sohn Walter gewidmet.“ Aber wer war Lieselotte Herrmann? Christel Schemel brachte den Teilnehmern der Einweihung deren Lebensgeschichte näher. Am 23. Juni 1909 wurde Liselotte Herrmann in der Petersburger Straße 177 in Friedrichshain in eine bürgerlich-liberale Ingenieursfamilie hineingeboren. Die naturwissenschaftlich interessierte junge Frau begann 1929 ein Chemiestudium in Stuttgart und wechselte nach vier Semestern 1931 zum Biologiestudium an die Friedrich-Wilhelm-Universität (heute Humboldt-Universität) Berlin.

Im gleichen Jahr trat sie der KPD bei. Aus politischen Gründen ist sie wenig später relegiert worden. Nach dem Ausschluss vom Studium verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Kindermädchen. Im Mai 1934 wurde ihr Sohn Walter geboren. Mit ihm zog sie im September nach Stuttgart, wo ihre Eltern inzwischen wohnten. Den Namen des Kindesvaters behielt sie für sich. Sie arbeitete fortan als Stenotypistin im Büro ihres Vaters und engagierte sich im Widerstand gegen die Nazis.

Spitzel denunzierten sie im Dezember 1935. Die Gestapo fand in der Wohnung ihrer ahnungslosen Eltern Beweismaterial für ihre illegale Tätigkeit. Als sie ins Gefängnis musste, war ihr Sohn Walter anderthalb Jahre alt. Am 12. Juni 1937 wurde Liselotte Herrmann durch den berüchtigten „Volksgerichtshof“ wegen „Landesverrat in Tateinheit mit Vorbereitung zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt.

Eine Protest- und Solidaritätskampagne aus verschiedenen europäischen Ländern versuchte, die Hinrichtung der jungen Mutter zu verhindern. Am 20. Juni 1938, nur wenige Tage vor ihrem 29. Geburtstag, starb Liselotte Herrmann unter dem Fallbeil in Plötzensee. Es war der erste bekannt gewordene Fall eines Todesurteils gegen eine Frau und junge Mutter wegen politischen Widerstands in Deutschland.

Als in Hitlerdeutschland Hingerichtete erhielt sie auch kein Grab. Ihre Leiche wurde der „anatomischen Forschung“ übergeben. Nichts sollte an sie erinnern. Doch nun erinnert nicht nur die Plastik von Sabina Grzimek, auf dem Freiaplatz, sondern auch eine neue Gedenktafel an das Schicksal von Liselotte Herrmann.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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