Mehrheit ist gegen Umbenennungen
Berliner-Woche-Leser halten belastete Straßennamen für unbedenklich

Die Arndtstraße und die Roedernstraße in Mahlsdorf werden in der Studie zu Straßennamen mit antisemitischen Bezügen genannt. Siegfried von Roedern war Mitglied der NSDAP und Ehrenführer der SS. Der Dichter und Historiker Ernst Moritz Arndt hatte ein nationalistisches Weltbild. | Foto: Philipp Hartmann
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  • Die Arndtstraße und die Roedernstraße in Mahlsdorf werden in der Studie zu Straßennamen mit antisemitischen Bezügen genannt. Siegfried von Roedern war Mitglied der NSDAP und Ehrenführer der SS. Der Dichter und Historiker Ernst Moritz Arndt hatte ein nationalistisches Weltbild.
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Die Debatte um mögliche Straßenumbenennungen erhitzt die Gemüter. In der Ausgabe vom 12. Februar berichtete die Berliner Woche über eine Studie, die in drei Fällen entsprechende Empfehlungen aufgrund antisemitischer Bezüge gibt: für die Arndt-, Lohengrin- und Lutherstraße in Mahlsdorf. Nach dem Bericht erreichten die Redaktion zahlreiche Zuschriften, in denen sich die Leser allesamt gegen Umbenennungen aussprechen.

Ausgelöst hat die Diskussion ein im vergangenen Jahr durch den Politikwissenschaftler Dr. Felix Sassmannshausen erarbeitetes Dossier im Auftrag des Ansprechpartners des Landes Berlin zu Antisemitismus, Prof. Dr. Samuel Salzborn. Neben den drei benannten Straßen in Mahlsdorf, für die Sassmannshausen direkt eine Umbenennung empfiehlt, regt der Politikwissenschaftler bei elf weiteren Straßen sowie einem Platz eine weitere Recherche oder Forschung und „gegebenenfalls Umbenennung“ an. Betroffen davon sind die Sudermann-, Strindberg-, Rosegger-, Pestalozzi-, Roedern-, Jahn-, Fritz-Reuter-, Melanchthon- und Cecilienstraße sowie der Cecilienplatz. Die jeweiligen Namensgeber wurden zu ihren Lebzeiten in einer Art und Weise auffällig, dass sie als Antisemiten eingestuft werden, zum Beispiel wegen entsprechender Äußerungen und verfasster Schriften. Ob es tatsächlich zu Straßenumbenennungen kommen wird, liegt in der Entscheidungsgewalt der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Die Meinung vieler unserer Leser ist dazu eindeutig. Allerdings gibt es interessante Unterschiede in der Betrachtung. „Es ist schon erstaunlich, zu welchen Ergebnissen der Autor der Studie kommt. Eine Straße, die zum Beispiel nach einer Oper von Richard Wagner benannt wurde und zum deutschen Kulturgut gehört, umzubenennen, ist schon dreist. Selbst wenn Wagner antisemitistische Äußerungen getätigt hat, ist dies doch kein Grund, die Lohengrinstraße umzubenennen“, meint Mathias Raffelt. „Mit derartigen Ideen wird man den Antisemitismus in Deutschland nicht bekämpfen können“, ist er sicher.

„Ich rate dringend davon ab, Straßenumbenennungen in diesem Ausmaß vorzunehmen. Die Straßennamen sind eng mit unserer Kultur verbunden. Man kann doch nicht eine Straße umbenennen, wenn ein Mann (oder von mir aus auch eine Frau!), der (die) etwas geleistet hat, uns jetzt nicht mehr in den Kram passt“, schreibt Knut Berger.

„Den wenigsten dürfte Luther als Antisemit bekannt sein, vielen aber als mittelalterlicher Reformator der Kirche. Glaubt wirklich jemand, mit der Tilgung dieses Straßennamens einen einzigen Menschen mit antisemitischer Einstellung umzustimmen? Im Gegenteil dürfte es Widerspruch in anderen Bevölkerungsgruppen hervorrufen“, so Regina Stieler-Leonhardt.

„Abgesehen davon, dass Hellersdorf noch genug Baustellen hat, in die man die Kosten für die Umbenennungen besser investieren könnte, möchte ich gern einmal wissen, warum nicht als Allererstes die Karl-Marx-Allee umbenannt wird, denn Marx war nachweislich ein großer Antisemit und Rassist. Allerdings wird sich natürlich der links-grüne Senat niemals damit befassen“, erklärt Sabine Kittel in ihrer E-Mail an die Redaktion.

Auch Frank Friedrich ist gegen Umbenennungen, allerdings mit einer Ausnahme: „Selbstverständlich muss die Straße, die den Namen eines Ehrenführers der SS trägt (Roedernstraße, Anm. d. Red.), sofort umbenannt werden. Dies hätte schon früher geschehen müssen.“ In den anderen Fällen hofft er hingegen darauf, dass die bestehenden Namen erhalten bleiben, denn: „Wenn ein Volk seine Vergangenheit leugnet, hat es keine Zukunft.“

„Nach Gallionsfiguren der Nazizeit sollten keine Straßen benannt sein, das ist nachvollziehbar und richtig“, stellt Rudi Gräser in seiner Zuschrift fest. Die nach dem Komponisten Richard Wagner, dem Theologieprofessor Martin Luther und dem Historiker und Dichter Ernst Moritz Arndt benannten Straßen umbenennen zu wollen, ist für ihn jedoch „schlicht Dummheit“. Das Heraussuchen von Äußerungen dieser Personen aus einem vergangenen Zusammenhang sei ihm unbegreiflich, erklärt er weiter und betont: „Ich jedenfalls werde weiterhin die hervorragenden Kompositionen Wagners, die bestechenden Schriften Luthers, die Gedichte/Schriften E. M. Arndts hören, lesen und genießen.“

In der BVV kursieren derzeit zwei auf das Dossier bezugnehmende Anträge. Die FDP forderte, die Arndt- und Roedernstraße durch die Hannah-Arendt- und Gertrud-Bäumer-Straße zu ersetzen. Die CDU wiederum ist gänzlich gegen Umbenennungen, will jedoch laut eigenem Antrag eine kritische Einordnung der Personen, nach denen die Straßen benannt wurden, fördern. Das könnte zum Beispiel über ergänzende Erläuterungen an den Straßenschildern geschehen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Martin teilte auf Nachfrage mit, dass beide Anträge erst einmal vertagt worden sind. Zunächst soll die Kommission Gedenkorte sich mit der Thematik befassen und dann einen Vorschlag machen, der anschließend in den Ausschüssen diskutiert werden soll. Martin selbst bevorzugt ein berlinweit einheitliches Vorgehen.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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