Von der Karotte bis zur Sonnenbrille
Manche Mythen halten sich hartnäckig, obwohl sie wissenschaftlich nicht bewiesen sind. Prof. Dr. med. Marcus Blum, Chefarzt der Augenheilkunde im Helios Klinikum Erfurt, klärt auf.
- Wer im Dunklen liest, bekommt schlechte Augen. "Das stimmt so nicht", sagt Prof. Blum. Denn wer bei schwacher Beleuchtung lese, der erhalte zwar ein schlechtes Bild. Doch bedeute das Lesen bei solchen Lichtverhältnissen keine Verschlechterung des Auges und führe nicht zu einer Fehlsichtigkeit. "Das entstehende Bild ist unterbelichtet und die Kontrastschärfe fehlt. Dadurch können die Augen schneller ermüden. Aber es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Lesen bei dämmrigem Licht und einer möglichen Verschlechterung des Sehvermögens."
- Wer schielt, dem bleiben beim nächsten Glockenschlag die Augen stehen. Dieser Mythos wird von Prof. Blum ebenfalls entzaubert. "Kinder können die Augen noch so verdrehen, die Augen werden - auch wenn die Uhr schlägt - nicht in dieser Stellung verharren. Sie werden vom Gehirn immer wieder in ihre normale Position gesteuert."
- Im Sommer niemals ohne Sonnenbrille rausgehen. "Bei einem gesunden Auge ist Schutz vor UV-Licht, wie es in unseren Breitengraden vorkommt, nicht erforderlich", erklärt Prof. Blum. Es sei nicht nachgewiesen, dass eine Sonnenbrille Erkrankungen wie eine Makuladegeneration (eine Netzhauterkrankung) verhindern könne. "Liegt eine hohe Blendung vor, dann erhöhen getönte Gläser mit UV-Schutz die Qualität der Sehleistung." Gerade beim Autofahren könne eine Sonnenbrille wichtig sein. Doch in der Dämmerung und nachts müsse sie unbedingt abgesetzt werden, so der Augenarzt. "Schädlich ist eine Brille mit getönten Gläsern ohne UV-Filter. Denn durch die Tönung weiten sich die Pupillen und die Sonnenstrahlen können direkt ins geöffnete Auge fallen."
- Wer zu viel in die Sonne schaut, bekommt "Sonnenbrand" auf den Augen. Es ist tatsächlich möglich, Sonnenbrand auf den Augen zu bekommen - allerdings nicht in erster Linie durch einen langen Aufenthalt in der Sonne, sondern durch mangelnden Sonnenschutz beim Wintersport. Davon betroffen sind vor allem Skifahrer, die sich auf dem Gletscher nicht gegen das starke - vom Schnee reflektierte - UV-Licht schützen. Auch Schweißer, die ohne Schutzbrille direkt in den Funkenschlag schauen, sind gefährdet. "Besonders gefährlich ist der direkte Blick in die Sonne ohne speziellen Schutzfilter, etwa bei der Beobachtung einer Sonnenfinsternis mit dem Fernglas. Hierbei kann ein bleibender Schaden an der Netzhautmitte entstehen."
- Der Verzehr von Karotten stärkt die Sehkraft. Wie bringen Eltern ihre Kinder dazu, in der Frühstückspause zur gesunden Mohrrübe statt zum klebrigen Schokoriegel zu greifen? Indem sie ihnen erzählen, dass Karotten für die Augen so gesund seien, dass sie später niemals eine Brille brauchen werden. Schließlich hat ja noch niemand einen Hasen mit einer Brille gesehen. Unser Experte stimmt dem Ganzen nur bedingt zu. "Durch den Verzehr von Karotten kann eine Fehlsichtigkeit nicht verhindert oder korrigiert werden", erklärt Prof. Blum. In wissenschaftlichen Studien gäbe es zwar Anhaltspunkte dafür, dass Erwachsene durch eine gesunde Ernährung mit Gemüse wie Broccoli oder Fisch mit bestimmten Fettsäuren einer Netzhautzerkrankung vorbeugen könnten. Doch dass der Karottenverzehr das Brilletragen verhindere, sei nicht bewiesen. Karotten enthielten Betacarotin, eine Vorstufe von Vitamin A, das zumindest zur Unterscheidung von hell und dunkel wichtig ist.
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Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
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