Angst vor Verdrängung
Hausinitiative Torstraße 225/227 fordert Vorgehen gegen massiven Wohnungsleerstand
Mit einer öffentlichen Erklärung versuchen die Mieter auf das Problem massiven Leerstands in ihren Häusern aufmerksam zu machen. Trotz Wohnungsnot bearbeite das Bezirksamt Leerstandsmeldungen nicht beziehungsweise genehmigt den Leerstand von sanierten Wohnungen, so die Hausinitiative.
Überall fehlen Wohnungen, die Mieten explodieren, immer mehr Mieterinitiativen kämpfen um ihre Häuser. Doch im Häuserkomplex mit drei Hinterhöfen an der Torstraße 225/227 würden von 84 Wohnungen mehr als 30 leer stehen, teilt die Mietergemeinschaft mit. Seit mehreren Jahren würden freigewordene Wohnungen nicht neu vermietet, heißt es in der Erklärung von Ende Februar. Die Hausinitiative habe seit Mai 2018 mehrmals neuen Leerstand gemeldet. Antworten vom Amt habe die Initiative nicht bekommen, sagt Sprecherin Doris Koch.
Eine Antwort der zuständigen Stadträtin Ramona Reiser (Linke) auf eine Grünen-Anfrage zum Thema Zweckentfremdung und Leerstandsgenehmigungen von Januar 2019 brachte jetzt eine „skandalöse Antworten“, so Koch. Das Bezirksamt hat dem Hauseigentümer – die auf Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen spezialisierte Immobilienfirma Accentro – den Leerstand von vorerst 20 der insgesamt 25 beantragten Wohnungen genehmigt. „Die Leerstandsgenehmigungen wurden bis Mai 2019 respektive Dezember 2020 erteilt“, heißt es in Reisers Antwort. Die Firma Accentro hat den Leerstand mit geplanten Modernisierungsarbeiten begründet.
Erhalt bezahlbaren Wohnraums gefordert
Die Mieterinitiative befürchtet Luxusmodernisierungen und den Verlust der Berliner Mischung, wenn überall im Haus teure Eigentumswohnungen entstehen. Der Verein Wohnen in der Torstraße 225/227 hat auch im November einen Brief an die Parteien geschrieben und um Unterstützung gebeten. Das Anliegen der Mieter sei „Erhalt von bezahlbaren Wohnungen und Gewerberäumen in Zentrumslagen“, heißt es da.
Der Häuserkomplex ist erst 2006 vollständig modernisiert worden, alle Wohnungen sind in einem bewohnbaren Zustand, so Doris Koch. Sie ärgert sich, dass das Bezirksamt Mitte auf die Meldungen und die Kooperationsangebote der Hausinitiative nicht reagiert. Auch Anfragen der Berliner Woche ließ Stadträtin Ramona Reiser unbeantwortet und kündigte zwei Wochen später und nach der dritten Nachfrage eine Antwort für den 15. März an.
Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten, hat den Mietern weitere Unterstützung zugesagt. Sie wundert sich, warum der Bezirk Leerstände so lange genehmigt. Mit den Mietern sei ein Treffen vereinbart. „Die Torstraße wird Thema bleiben“, sagt sie.
Unterlassungsklage gegen Initiative
Auf Twitter hatte der Account Romantik-Kiez behauptet, dass sein Zugang „vom 8. März bis 9. März auf Veranlassung des Grün-geführten Bezirksamtes Mitte wegen Unterstützung der Mieterinitiative Torstraße 225 durch Twitter gesperrt wurde“. Tatsächlich wurde der Account von Twitter blockiert. Ein prominenter Grünen-Politiker (Name der Redaktion bekannt), der in dem Torstraßen-Haus wohnt, hatte dies veranlasst. Der Grund war, dass der Romantik-Kiez seinen Namen mit der Anschrift veröffentlicht hat. Das ist nach Twitter-Regeln unzulässig. In weiteren Posts hieß es, „dass Grüne Prominenz bislang passiv blieb, dass Grüner Bezirksbürgermeister Genehmigung von Leerstand verantwortet“.
Bürgermeister Stephan von Dassel wies alle Vorwürfe zurück und erklärte gegenüber der Berliner Woche, dass er zukünftig nicht mehr kommentiert, „wer was auf Twitter geschrieben hat“.
Nach dem offenen Brief zum massiven Leerstand in der Torstraße 225/227 und dem folgenden Twitter-Gewitter ist die Hausinitiative unter Druck geraten. Die Firma Accentro geht derzeit mit Unterlassungsklagen gegen die Mieterinitiative vor. Einen offenen Brief mit dem Titel „Skandalöser Leerstand in unserem Haus“ hat Doris Koch vorerst von der Vereinswebsite genommen. Mit weiteren Informationen ist sie vorsichtig, der Verein müsse die Unterlassungsforderungen erst anwaltlich prüfen.
Accentro ist nach eigenen Angaben auf der Internetseite „marktführend in der Wohnungsprivatisierungs-Dienstleistung in Deutschland und seit 1999 auf die mieternahe Wohnungsprivatisierung spezialisiert“. Eine Antwort auf auf Anfragen der Berliner Woche lag bis Redaktionsschluss nicht vor.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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