Aufbruch Neukölln berät Väter mit türkischen Wurzeln

Kazim Erdogan gründete 2007 die bundesweit erste Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Väter. | Foto: Steffi Bey
  • Kazim Erdogan gründete 2007 die bundesweit erste Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Väter.
  • Foto: Steffi Bey
  • hochgeladen von Lokalredaktion

Neukölln. Mehr als 100 Projekte hat Kazim Erdogan initiiert. Zu den bekanntesten gehört die bundesweit erste Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Männer und Väter. Im Januar startet sein neuestes Vorhaben für Spielsüchtige mit Migrationshintergrund.

Jeden Montag, wenn kurz vor 18 Uhr immer mehr Männer in die Räume des Vereins Aufbruch Neukölln kommen, ist auch Ayden Bilge dabei. Für ihn gehören die regelmäßigen Treffen mit den anderen Männern zu den wichtigsten Ereignissen der Woche. "Weil wir uns dort über alle Fragen, die uns bewegen austauschen können", sagt der 43-Jährige. Das sind Themen wie Integration und Toleranz, Ehe und Familie, aber auch gewaltfreie Erziehung, Sucht und Sexualität.

Ohne Tabus, offen und ehrlich reden die Männer, die zwischen 21 und 70 Jahre alt sind, miteinander. Ayden, der seit fünf Jahren dazugehört, ist sich sicher: "Wenn es die von Kazim Erdogan initiierte Gruppe nicht gebe, wäre mein Leben ganz anders verlaufen."

Die Geschichte des Neuköllners spiegelt wieder, wie es vielen Vätern seines Kulturkreises ergeht. Als junger Mann kam er nach Deutschland, gründete eine Familie, fand Arbeit, wurde aber plötzlich entlassen. Er fühlte sich fremd und alleingelassen, hilflos und unverstanden, auch von den deutschen Kollegen und Nachbarn. Hinzu kamen Streitereien mit seiner Frau, die inzwischen wieder in der Türkei lebt.

"Ich wusste nicht mehr weiter, hatte sogar Selbstmordgedanken", erinnert sich der alleinerziehende Vater. Irgendwann fand er ein Faltblatt über die Selbsthilfegruppe, die der Psychologe Kazim Erdogan ehrenamtlich leitet. Der überzeugte ihn schließlich, auch mal vorbeizukommen.

Ayden Bilge agiert inzwischen sogar als Vorbildkiezvater. Er begleitet beispielsweise Hilfsbedürftige zu den Ämtern. Doch das Wichtigste ist, er schafft Vertrauen und kann mit ihnen über ihre Ängste und Probleme sprechen. "Wir bauen Brücken auf und treffen uns auf Augenhöhe", sagt Projektleiter Kazim Erdogan. Mehr als 100 Männer nehmen inzwischen an den Interkulturellen Vätergruppen teil.

Die Themen legen sie gemeinsam fest und häufig laden sie Experten ein. "Wir wollen die Männer darin stärken, sich der Erziehung ihrer Kinder anzunehmen, sie aber auch mit ihren Problemen nicht alleine lassen", erklärt Erdogan.

Aus vielen Gesprächen weiß er, dass besonders junge Migranten von der Spielsucht betroffen sind. "Wo die Armut regiert, hat das Glücksspiel Hochkonjunktur", sagt Kazim Erdogan. Die Versuchung sei groß, Männer verspielen das Geld und daheim kommt es dann oft zu dramatischen Szenen. Schließlich würden die Frauen und Kinder genauso unter der Sucht leiden, aber aus Scham schweigen.

Um das Thema öffentlich zu machen und den Betroffenen Hilfe anzubieten, startet der Verein Aufbruch Neukölln jetzt mit einer Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige. "Von den rund 80.000 Betroffen in Berlin, sind etwa 60 Prozent Zuwanderer", macht Erdogan deutlich.

Angeboten werden sollen zunächst unter anderem Beratungen in deutscher, englischer, türkischer, arabischer, russischer und kurdischer Sprache.

Verein Aufbruch Neukölln, Uthmannstraße 19, 12043 Berlin (nahe U-Bahnhof Karl-Marx-Straße). Informationen unter 60 92 81 03 oder 0176-641 11 08 78 und auf www.aufbruch-neukoelln.de.
Steffi Bey / Steffi Bey
Autor:

Lokalredaktion aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 60× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 518× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 483× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 434× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 463× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.