Schmerzen sind nicht süß
Tierärztekammer und Landesamt starten Kampagne gegen Qualzuchten

Tierärztin Anne Zinke ist beim Lageso für Tierschutz zuständig und will über das Thema Qualzuchten aufklären. | Foto:  Dirk Jericho
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Die Tierärztekammer (TÄK) und das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) wollen mit einer neuen Kampagne auf das Thema Qualzucht bei Tieren aufmerksam machen und über das Leid der Tiere aufklären.

Ein niedlicher Chihuahua mit Kulleraugen oder ein Mops mit kurzer Schnauze und Clownsgesicht – diese Minihunderassen sind wegen ihres Aussehens sehr beliebt. Sie sind zwar nicht verboten, aber bekannte Beispiele für Qualzuchten. „Die Tiere sind viel zu klein, frieren schnell oder haben Atemprobleme“, sagt Dr. Anne Zinke. Die beim Lageso für Tierschutz zuständige Tierärztin will gemeinsam mit der Tierärztekammer Berlin in einer neuen Kampagne Qualzuchten thematisieren. Denn die knuddeligen Merkmale der Rassen sind nur für Herrchen und Frauchen süß; für die Tiere bedeuten sie zumeist ein Leben voller Schmerzen und Krankheiten. „Im Prinzip sind die meisten Zuchten Qualzuchten“, meint Zinke.

Laut Tierschutzgesetz sind Qualzuchten verboten. Genetische Veränderungen, die dazu führen, dass die Tiere leiden oder nicht normal leben können, dürfte es eigentlich nicht geben. Doch das Qualzuchtverbot wird kaum umgesetzt, „die Züchterlobby ist sehr groß“, sagt Anne Zinke. Die Zucht von Nacktkatzen – eine Rasse ohne Fell – hat das Berliner Verwaltungsgericht 2015 untersagt. Das Fehlen der Tasthaare als wichtiges Sinnesorgan bedeute Schaden und Leiden für das Tier, so die Begründung. Das Verbot mit der Aufforderung, den Zuchtkater kastrieren zu lassen, ist das erste Urteil zum Thema Qualzucht seit dem Inkrafttreten der Änderungen des Tierschutzgesetzes im Juli 2013.

Vorher informieren

Solange die Leute solche besonderen Tiere wollen, wird es diese Züchtungen geben. Vor allem im Ausland sind die Zuchtregeln laxer. Die Tierärzte appellieren deshalb mit ihrer neuen Kampagne „Lifestyle oder Lebewesen?“ an die Tierliebe der Halter. Denn oft wissen sie gar nicht, dass es sich bei ihren Lieblingen um Qualzuchten handelt. Wer sich für ein Tier entschieden hat, sollte sich vorher genau über die Rasse informieren. „Einfach nach Rasse plus Krankheit googeln oder den Tierarzt fragen“, sagt Anne Zinke.

Bei allen besonders großen oder besonders kleinen Rassen kann man davon ausgehen, dass es sich um eine Qualzucht handelt. „Große Rassen – in klein gezüchtet – sind gerade total in“, weiß Zinke. Miniaturdackel oder Miniaturcollies werden auch als „Toy-Rassen“ oder „Teacup-Rassen“ bezeichnet, weil sie im übertragenen Sinn wie Spielzeug aussehen und in Teetassen passen. Auf dem neuen Kampagnenplakat vom Lageso und der Tierärztekammer schaut eine französische Bulldogge traurig nach oben. Diese Hunde sind ursprünglich einfarbig oder gestromt und nicht wie der Hund auf dem Foto genetisch durch gezielte Züchtung farblich verändert. Durch genetische Veränderungen hat die Bulldogge blaue oder sogar verschiedenfarbige Augen, die auch erblinden können. Die Falte an der zu kurzen Nase könne dazu führen, dass sie sich entzündet, erläutert Zinke. Die Tierärzte klagen immer wieder gegen bestimmte Züchtungen, aber die Züchterlobby hält dagegen. Die tatsächlichen Schäden nachzuweisen, ist nicht ganz einfach. „Die Leute müssen verstehen, dass die Tiere nicht gesund sind“, erklärt Anne Zinke den Ansatz der Aufklärungskampagne. Wenn die Nachfrage nach solchen Tieren sinke, werde auch das Angebot zurückgehen.

Betroffen von schädlichen Qualzüchtungen sind sehr viele Tierarten. Ob Zierfische, Vögel, Kaninchen, Meerschweinchen oder Reptilien wie Albinoechsen mit roten Augen – überall züchten Menschen bestimmte Merkmale hinein. Auch landwirtschaftliche Nutztiere wie Kühe, Schweine, Enten oder Hühner werden so gezüchtet, dass sie immer mehr Leistung oder Fleisch geben. Laut Lageso sind auch das Qualzuchten, weil die Tiere darunter leiden.

Mischlingstiere sind eine gute Wahl

Wer sich ein Tier anschaffen möchte, sollte sich vorher genau informieren und nur bei verantwortungsvollen Züchtern kaufen. „Mischlingstiere sind eine gute Wahl“, sagt Anne Zinke. Wer die Kampagne zu den gesundheitlichen Problemen von Extremzuchten unterstützen möchte, kann beim Lageso über den E-Mail-Kontakt veterinaerwesen@lageso.berlin.de mit dem Stichwort Qualzuchtposter A2- oder A3-Plakate für die Schule, Praxis oder Arbeitsstelle bestellen. Die Poster gibt es auch zum Herunterladen im Internet.

Weitere Informationen zur Kampagne auf www.umdenken-tierzuliebe.de.

Tierärztin Anne Zinke ist beim Lageso für Tierschutz zuständig und will über das Thema Qualzuchten aufklären. | Foto:  Dirk Jericho
Tierärztin Anne Zinke ist beim Lageso für Tierschutz zuständig und will über das Thema Qualzuchten aufklären. | Foto: Dirk Jericho
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