Auf dem ehemaligen Güterbahnhof wurde der Gedenkort für deportierten Juden eingeweiht

Die Schöpfer des "Hains": Jan Liesegang (links) und Francesco Apuzzo. | Foto: KEN
3Bilder
  • Die Schöpfer des "Hains": Jan Liesegang (links) und Francesco Apuzzo.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Moabit. Nach einem Vierteljahrhundert zäher Bemühungen ist an der Stelle des ehemaligen Güterbahnhofs Moabit endlich ein Gedenkort geschaffen worden.

Der „Hain“ des Künstlerkollektivs „raumlaborberlin“ überzeugt durch seine stille, meditative Ausstrahlung in einer unwirtlichen Umgebung. Auf einer rund 250 Quadratmeter großen Fläche ist künftig Erkenntniszuwachs möglich. Zwischen Quitzow- und Ellen-Epstein-Straße ragen 20 Kiefern auf sandigem Grund auf. Von der Nord- und der Südseite führt ein gepflasterter Weg zum Hain. Davor ist ein mehr oder weniger original erhaltenes Stück Gleis zu sehen.

Zwei Informationstafeln aus Cortenstahl an der Straße geben Einblick in die Geschichte des Güterbahnhofs während des Zweiten Weltkriegs. Vermutlich fuhren seit Ende August 1942 28 bis 34 Deportationszüge mit 27 000 bis 32 000 Menschen vom Güterbahnhof Moabit aus in die Ghettos und Vernichtungslager in Osteuropa.

Eine Gedenkstätte sei hier notwendig, weil Mitgefühl damit zu tun habe, dass man sich etwas vorstellen könne, erklärte Jan Liesegang von „raumlaborberlin“ bei der Einweihung Mitte Juni. Er habe sich das Unvorstellbare vorstellen können, sein Zuhause verlassen zu müssen, um gewaltsam in einen Zug gesperrt zu werden und vielleicht durch einen Schlitz in der hölzernen Wand des Güterwaggons seine Heimat ein letztes Mal zu sehen. Für solche konkreten Vorstellungen brauche man überraschende und dezentrale Mahnmale, die auf konkrete Ereignisse und Umstände hinwiesen, so Liesegang. „Raumlaborberlin“ versteht den neuen Gedenkort als Ergänzung zum Gedenkort in der Lewetzowstraße. „Wir sehen den Hain als ein wachsendes Mahnmal gegen eine wachsende Gefahr des Vergessens und vor allem des aufkommenden neuen Rassismus und Populismus und auch Antisemitismus in unserer Gesellschaft“, sagte Jan Liesegang.

„Die Kiefer haben wir ausgesucht, weil sie langsam wächst, langlebig ist und in ausgewachsenem Zustand einen fast sakralen Raum mit Säulen und Dach erzeugt“, ergänzte Liesegangs Partner, Francesco Apuzzo. „Man kann natürlich die Erinnerung in Beton gießen, aber man kann sie auch wachsen lassen und pflegen. Es ist kompliziert, vielleicht unbequem, kostet Geld. Das entspricht aber dem Bewahren der Erinnerung. Wir hoffen, dass es auch an diesem Ort so sein wird.“

Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, bezeichnete den neuen Gedenkort als „eindrucksvolle Installation“. Beim kleinen Festakt ließ Kulturstadträtin Sabine Weißler (Bündnisgrüne) noch einmal den beschwerlichen Weg hin zum Mahnmal seit den frühen 90er-Jahren Revue passieren. Erst hätten „verschiedene Sparwellen das Kulturamt weggerafft“ und ein Vorankommen des Gedenkprojekts unmöglich gemacht, danach habe ein Gordischer Knoten durchschlagen werden müssen. Weißler: „Wir brauchten Mittel für die Realisierung, die der Bezirk nicht hatte und die wir hofften von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie zu bekommen. Die Klassenlotterie stellt aber keine Blankoschecks aus. Deswegen mussten wir eine Planung vorlegen, für die wir aber auch kein Geld hatten.“ Die Planung habe schließlich die Senatsverwaltung finanziert. „Damit konnten wir bei der Deutschen Klassenlotterie einen Antrag stellen, der auch genehmigt wurde. Danach war es möglich, den Wettbewerb auszuschreiben.“ Weißler mahnte, ein wachsames Auge auf den Gedenkort zu haben, „dass er würdig bleibt, nicht beschädigt wird und wir ihn weiterhin zum Sprechen bringen“. KEN

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 815× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 809× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 506× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 995× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.891× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.