17 Monate auf Tour: Zwei Neuköllnerinnen radelten 23.500 Kilometer
Neukölln. Sie haben Gletscher gesehen, glasklare Flüsse, Westernlandschaften, Regenwald, Strände und Wüsten: Barbara Jörke und Hilde Klinkhardt sind 17 Monate lang durch Amerika, Kanada und Australien geradelt. Am 22. Oktober trafen sie wieder in Neukölln ein.
Rund 23 500 Kilometer haben sie zurückgelegt. Gemessen an der Zeit sei das aber gar nicht so viel, sagt Klinkhardt. „Unter den Tourenradlern sind wir eher langsam.“ Ihr Tagespensum lag zwischen 30 und 120 Kilometern. Einen Routenplan gab es immer, der musste aber nicht auf Biegen und Brechen eingehalten werden. „Wenn uns jemand einen Umweg empfohlen hat, haben wir ihn genommen. Schließlich gilt: Wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.“
Die beiden lieben das Reisen und haben schon zuvor die USA, Australien und andere Länder besucht, mit und ohne Fahrrad. Dieses sollte aber ihre längste Tour werden. Start war in Anchorage, Alaska. Von dort aus ging es Richtung Süden, durch British Columbia und Alberta in Kanada, dann durch die US-Staaten Montana, Idaho, Utah und Arizona bis nach Los Angeles.
Sie überquerten unzählige Gebirgspässe, trafen einen neugierigen Bären, der sich gezielt über einen Fluss zu ihnen treiben ließ, schlugen ihr Zelt zwischen riesigen Kakteen auf und lauschten nachts den Koyoten. Im Monument Valley dann Wildpferde vor den berühmten Tafelbergen. „Ganz große Filmkulisse, wie für uns arrangiert“, kommentiert Barbara Jörke. Die Langsamkeit des Fahrradfahrens, die Fortbewegung mittels der eigenen Körperkraft sei ideal, um die Natur zu erleben.
„Und die Reduzierung auf das Wesentliche schafft Platz für neue Erfahrungen“, sagt Hilde Klinkhardt. Die Reduzierung fängt schon beim Proviant an. Er muss nahrhaft sein, wenig wiegen und notfalls für etliche Tage reichen. Wasser, Reis, Pasta, Linsen, Couscous, Müsli, Trockenobst, Milchpulver und Tee standen regelmäßig auf dem Speiseplan.
Aber das Fahrradfahren sei auch ein echter Türöffner, erzählt Barbara Jörke. Viele Menschen hätten sie angesprochen, eingeladen, bewirtet, ein Nachtlager angeboten. Die Gastfreundschaft und das Vertrauen seien oft erstaunlich weit gegangen. Sie hätten sich auf ihrer Reise stets gut aufgehoben gefühlt, fügt ihre Partnerin hinzu. Sowohl die USA, Kanada als auch Australien würden nicht umsonst als sichere Reiseländer gelten.
Apropos: Nach Australien, genauer nach Melbourne, ging es dann von Los Angeles aus mit dem Flugzeug. Zwei Monate Zeit nahmen sich die Berlinerinnen für Tasmanien, das südlich der Hauptinsel liegt. Danach ging es quer durchs Outback, bei Temperaturen um die 35 Grad. Da hieß es, um halb fünf aufstehen und dem Sonnenaufgang entgegenfahren. Ist es dort nicht allzu karg? Barbara Jörke widerspricht: „Sobald ich rote Erde sehe, bin ich glücklich. Diese Natur macht was mit einem.“
Die Fahrräder haben durchgehalten, aber Hilde ist auch eine gute Mechanikerin, die mit kleineren Pannen bestens klarkommt. Nur einmal wurde den beiden etwas flau: sieben lose Speichen und 1500 Kilometer bis zum nächsten Fahrradladen im australischen Cairns. Die Felge hielt – bis ein paar Meter vorm Ziel.
Wie konnten es sich die beiden leisten, so lange Urlaub zu machen? Hilde Klinkhardt faßte die Gelegenheit beim Schopf, als das Unternehmen, bei dem sie gearbeitet hatte, schloss. „Natürlich braucht es Mut zur Lücke, aber ich bin sicher, dass ich wieder einen Job finde“, sagt die Neuköllnerin, die Sport und Erziehungswissenschaften studiert hat. Ihre Partnerin ist selbstständig und nimmt die Arbeit jetzt wieder auf.
„Man muss überzeugt sein, es machen zu wollen und darauf hinarbeiten“, ergänzt sie. Die beiden leben sparsam, legen Geld zurück und haben auch ihr Auto abgeschafft. Besuchen sie Freunde im näheren oder weiteren Umland, steigen sie auf ihre Räder. „Da kommen an einem Wochenende schon mal 200 Kilometer zusammen“, erzählt Barbara Jörke. sus
Mehr Infos und Fotos auf www.slow-cycling.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.