„Regeln sind enorm wichtig“: Bürgermeisterin Franziska Giffey über Mieten, Schulen, Sicherheit und die U-Bahn-Verlängerung

Seit dem 15. April 2015 im Bürgermeisteramt: Franziska Giffey. | Foto: Schilp
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Neukölln. Wie entwickelt sich der Bezirk? Welche Probleme und Chancen gibt es? Was sind die größten Aufgaben in den kommenden Jahren? Darüber sprach Berliner Woche-Reporterin Susanne Schilp mit Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Verändert sich der Bezirk wirklich so stark, wie es oft behauptet wird?

Franziska Giffey: Ja. Wir erleben in Neukölln einen großen Wandel. Vor anderthalb Jahren lebten hier Menschen aus 150 Nationen, heute sind es 186. Es gibt viele Start-ups, wir zählen im Jahr rund 1000 Firmengründungen.

Bringt der Zuzug nicht auch Probleme mit sich?

Franziska Giffey: Der Wohnungsmarkt ist angespannt. Milieuschutz und Mietpreisbremse alleine reichen nicht. Neubau tut Not. Gut ist die landesweite „kooperative Baulandentwicklung“. Sie schreibt vor, dass Investoren 25 Prozent der Wohnungen für sozialverträgliche Mieten anbieten müssen, landeseigene Gesellschaften sogar 30 Prozent.

Was ist in Ihren Augen „sozialverträglich“?

Franziska Giffey: Das hängt von der Wohnlage, dem Zustand und der Größe der Wohnung ab. Wichtig ist, dass der Staat durch Fördermaßnahmen bezahlbare Mieten unterstützt.

Trotz des Booms: Fast jeder vierte Neuköllner bekommt Geld vom Jobcenter. Wie kann das geändert werden?

Franziska Giffey: Wir haben 78.000 Kunden im Jobcenter und geben tatsächlich 76 Prozent unseres Bezirksetats für Sozialleistungen aus. Damit stehen wir neben dem Bezirk Mitte am schlechtesten da. Das ist keine normale Situation. Am wichtigsten für mich ist, dass unsere Kinder und Jugendlichen eine optimale Ausbildung bekommen und später durch eigene Arbeit selbst ihre Miete bezahlen können. Dafür brauchen wir gute Schulen.

Wo investiert der Bezirk?

Franziska Giffey: Der Campus Rütli wird in dieser Legislaturperiode fertig werden, auf dem Campus Efeuweg haben wir Richtfest für das neue Oberstufenzentrum gefeiert. Dieses Jahr ist Baubeginn am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Buckow, nächstes Jahr startet der Neubau der achtzügigen Rudower Clay-Schule. 80 Prozent unserer Investitionsmittel gehen in Bildungseinrichtungen und Schulen.

Ganz grundsätzlich gefragt: Was brauchen die Menschen, um sich im Bezirk wohlzufühlen?

Franziska Giffey: Die zwei großen Pfeiler für mich sind Sicherheit und Gerechtigkeit. Das bedeutet vieles: bezahlbare Mieten, eine auskömmliche Rente, Sicherheit auf der Straße, in der U-Bahn, eine Zukunft für die Kinder. Wesentlich ist auch Ordnung im öffentlichen Raum. Es ist enorm wichtig, dass es Regeln gibt und dass dafür gesorgt wird, dass sie eingehalten werden. Die Leute sollen sich in Grünanlagen, auf der Straße und in der Schule sicher fühlen.

Hat das Bezirksamt denn genug Mitarbeiter, um Regelverstöße zu ahnden?

Franziska Giffey: Als Kommunalpolitikerin lernen Sie zuerst: Es gibt nicht genug Geld und nicht genug Personal. In unserem Ordnungsamt habe ich 42 Außendienstmitarbeiter für 345 Kilometer Straßenland. Diese Mitarbeiter sind genauso verantwortlich für Falschparker wie für nicht angeleinte Hunde. Ich wünsche mir vom neuen Senat, dass er die Leistung der Bezirke anerkennt und uns mehr Personal genehmigt.

Was sind Ihre größten Anliegen in den kommenden Jahren?

Franziska Giffey: Es gibt zwei weit über Neukölln hinaus bedeutsame Themen: Das erste ist die U-Bahnverlängerung von Rudow zum neuen Hauptstadtflughafen. Das zweite ist die Sanierung und Erweiterung unseres Krankenhauses Neukölln.

Der neue Senat hat sich aber aus Kostengründen gegen die U 7-Verlängerung ausgesprochen. Sehen Sie trotzdem Chancen?

Franziska Giffey: Momentan sieht es nicht gut aus. Aber ich glaube, spätestens wenn der Flughafen in Betrieb geht, wird umgedacht werden, wenn Tausende, wenn Millionen Menschen pro Jahr befördert werden müssen.

Der neue unterirdische Bahnhof unter dem Flughafen, der schon fertig ist, hat aber überhaupt kein Gleis für die U-Bahn.

Franziska Giffey: Dann muss sie eben oberirdisch ankommen. Wir brauchen die Verlängerung! Nur ein Beispiel: Wenn die Erweiterung des Estrel-Hotels fertig ist, wird es regelmäßig Messen und Kongresse von Weltbedeutung an der Sonnenallee geben. Rund 12.000 Menschen können dort gleichzeitig tagen. Viele der Besucher werden in Schönefeld ankommen.

Und das zweite große Thema?

Franziska Giffey: Das Krankenhaus Neukölln. Die Rettungsstelle ist seit vielen Jahren völlig überlastet. Hier müssen rund 150 Millionen Euro investiert werden, für die Sanierung des Hauses noch einmal 350 Millionen Euro. Wir reden immerhin von einem der größten Notfallkrankenhäuser Berlins. Hierher kommen auch viele Brandenburger, hier gibt es jeden Tag zehn Geburten. Außerdem wird die Klinik die erste Anlaufstelle für den neuen Flughafen sein.

Wie ist der Stand der Dinge?

Franziska Giffey: Ich hoffe, dass sich bald etwas bewegt. Gespräche mit der Gesundheitssenatorin und dem Krankenhausträger Vivantes wird es in den nächsten Wochen geben.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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