Immer geradeaus nach Niederschönhausen
Der Mann mit der Leiter lädt zu einem Besuch des Ossietzkyplatzes ein

Die Friedenskirche am Ossietzkyplatz | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Die Friedenskirche am Ossietzkyplatz
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Dieses Mal lade ich Sie in den Berliner Norden, auf den Ossietzkyplatz vor der Niederschönhausener Friedenskirche ein. Die alten Dorfkerne Niederschönhausens und Pankows, rechts und links vom Mittellauf des Füßchens Panke, sind seit jeher erstaunlich nahe beieinander.

Gerade mal 1200 Meter schnurgerader Fußweg sind es von der Kirche an der Breiten Straße vorbei am Schloss Schönhausen bis zum Ossietzkyplatz. Als der alte Verbindungsweg vor über 300 Jahren mit dem Bau des Schlosses befestigt wurde, hieß er bald „Dorfstraße nach Niederschönhausen“, später Schlossstraße. Die Namen Ossietzkyplatz und Ossietzkystraße datieren von Anfang Mai 1948, dem zehnten Todestag Carl von Ossietzkys. Berlin ehrte damals den mutigen Chefredakteur der Wochenschrift „Weltbühne“, der an den Folgen seiner Haft im Moor-KZ Esterwegen 1938 in Niederschönhausen verstorben war. 1935 war ihm der Friedensnobelpreis verliehen worden, und das Naziregime musste ihn nach internationalem Druck aus der „Schutzhaft“ entlassen.

Die Berliner Gedenktafel für Carl von Ossietzky. | Foto: Bernd S. Meyer
  • Die Berliner Gedenktafel für Carl von Ossietzky.
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Schwer an Tuberkulose erkrankt, nahm ihn Dr. Wilhelm Dosquet (1859-1938) in seinem Privatkrankenhaus in der Mittelstraße 6-8 im nahen Nordend für die letzten Monate seines Lebens auf. Der Arzt, wie sein Patient jüdischer Herkunft, war auch als Kunstexperte und Sammler anerkannt gewesen. Die Nazis zerstörten alsbald sein Lebenswerk, die Sammlung wurde versteigert, in diverse Museen zerstreut. Ein Vorgang, der bis heute nicht nur Fachkreise bewegt. Im Schloss Niederschönhausen befand sich ab 1936 jener „Kunstdienst“-Arbeitsstab, der die Schandausstellung „Entartete Kunst“ organisierte und abwickelte.

Das "Städtchen" am Majakowskiring

Nach dem Krieg war der Pankower Ortsteil Niederschönhausen um die Ossietzkystraße mit der Funktionärswohnsiedlung Majakowskiring und dem Schloss – nacheinander Amtssitz des DDR-Präsidenten, des Staatsrates, dann Staatsgästehaus – ein öffentlicher, politisch aufgeladener Ort. Wussten Sie, dass Niederschönhausen 48 Meter über Normalnull liegt, Bismarcks altmärkisches Schönhausen/Elbe nur 34 Meter über NN, Hohenschönhausen aber 52 Meter über NN?

Im Innern der Friedenskirche am Ossietzkyplatz. | Foto: Bernd S. Meyer
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Die Friedenskirche am Ossietzkyplatz wirkt, als hätte es diverse Zeitenwechsel nicht gegeben. Von außen wie von innen zeigt sie sich fast wie 1871, als nach dem Siegfrieden über Frankreich der Kirchplatz zum Friedensplatz und auch die Friedenskirche bei ihrer Einweihung so benannt wurde. Es heißt, dass der 1861 verstorbene König Friedrich Wilhelm IV. schon früh eine Skizze für den Umbau der alten Kirche „seines“ Gutsdorfes im Stil italienischer Spätromanik und der Schinkelschule hinterlassen habe, aus der dann der große Anbau mit dem Achteck-Turm entstand.

Land Art in Pankow

Der Ossietzkyplatz selber hat außer den Parkmöglichkeiten für gut drei Dutzend Autos und den Durchgang zu Kirchpark und Kirche derzeit nur wenig zu bieten. Doch seit nunmehr zehn Jahren ziert ihn in sechs Meter Höhe ein in Rot, Grün und Orange leuchtendes Acryl-Kunstobjekt im Stil der berühmten Land Art. Zwar nur in Klein, doch verwandt mit Christos Reichstagsverpackung. Denn es verwendet Planausschnitte und Grundrisse seiner Umgebung zur Markierung des Raumes. Insgesamt vier dieser Unikate aus dem Kunstwettbewerb des Bezirksamts Pankow sind an Straßenausgängen des Pankower Kernplanungsgebiets aufgestellt worden, auch die anderen drei leuchten bei Finsternis besonders hell am Bahnhof Pankow, am Pastor-Niemöller Platz und an der Ecke Pasewalker Straße und Schloßallee.

Mitte der 80er-Jahre schuf der Potsdamer Bildhauer Klaus Wolf Simon für die Pankower Carl-von-Ossietzky-Oberschule (heute Gymnasium) an der Görschstraße eine Porträtstele des Namensgebers aus Bronze. Der Künstler übergab damals an das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium Wiesbaden einen Zweitguss des Porträtkopfes, der dort bis heute seinen Ehrenplatz hat. Zum 100. Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers ist 1989 an der Ossietzkystraße sein Denkmal aufgestellt worden.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 23. April, um 11 Uhr. Treffpunkt ist die Ecke Ossietzky- und Wolfshagener Straße, zu erreichen mit Bus und Straßenbahn bis Pankow Kirche. Übrigens wiederhole ich die Führung am 30. April um 14 Uhr. Treffpunkt ist derselbe, die Teilnahme kostet sieben Euro. Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31. Weitere Infos auf www.stadtgaenge.de

Die Führung ist für Leser der Berliner Woche kostenlos. Allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich: Am Dienstag, 19. April 2022, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 71 00.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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