Altes Buch sucht einen Retter
Literaturliebhaber bewahren Bestandsstücke der Staatsbibliothek zu Berlin vor dem Verfall

Flemmings Generalkarte. Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Hamburg 1890. | Foto: sbb.sbk-berlin
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Mehr als zwölf Millionen Bände Literatur in allen Sprachen, aus vielen Ländern und Zeiten lagern in der Staatsbibliothek zu Berlin. Trotz hoher Investitionen des Hauses reichen die Mittel allerdings nicht aus, den natürlichen schleichenden Verfall vieler Werke aufzuhalten. Deshalb helfen zunehmend Buchpatenschaften, alte Schriften, Skizzen, Drucke oder Zeichnungen für die Nachwelt zu erhalten.

„Das Konzept der Patenschaften wird seit Langem erfolgreich in den verschiedensten Bereichen verfolgt, seit 2006 auch in der Berliner Staatsbibliothek“, sagt Gwendolyn Mertz. Die Literaturwissenschaftlerin leitet die Geschäftsstelle des Vereins der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum begeht. Seine mittlerweile rund 330 Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, die Bibliothek unter anderem bei der Bestandserhaltung zu unterstützen – zum Beispiel durch die Vermittlung von Buchpatenschaften über ihre Internetseite.

Bis zu 150 Patenschaften pro Jahr

„Wir können aus einem ständigen Angebot von circa 150 Werken, das permanent aktualisiert wird, jährlich 130 bis 150 Patenschaften mit einem Wert von insgesamt 40.000 Euro vermitteln“, erklärt Gwendolyn Mertz. „Die Paten wählen ein Werk aus und übernehmen die Kosten für die Restaurierung, die sich je nach Herkunft und Schäden auf 60 bis 500 Euro und mehr belaufen.“

Gwendolyn Mertz leitet die Geschäftsstelle der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin.  | Foto: sbb.sbk-berlin
  • Gwendolyn Mertz leitet die Geschäftsstelle der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin.
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Sehr beliebte Patenschaften seien laut Mertz zum Beispiel Kinderbücher, Landkarten, bestimmte Autoren oder auch Zeitungen aus den Herkunftsorten der Paten. Besonders kostenintensiv seien zum Beispiel Musiknoten und die sogenannten Wiegendrucke, also Werke, die aus der Frühzeit des Buchdrucks im 15. Jahrhundert stammen. Die Beschädigungen sind dabei einerseits auf häufige Nutzung, andererseits auf die Qualität des verwendeten Papiers zurückzuführen.

Säurehaltiges Papier

Erstaunlich sei dabei, so Mertz, dass Drucke aus dem 17. und 18. Jahrhundert oft besser erhalten seien als die aus dem 19. Jahrhundert. „Ursache ist die der aufkommenden Massenproduktion geschuldete Beimischung von säurehaltigem Holzschliff“, sagt die Expertin. „Das ist aber alles nichts gegen die später aufkommende folgenschwere Verwendung von Tesafilm bei schnellen oberflächlichen Reparaturen. Der Klebstoff zerstört jedes Papier und macht die Restaurierung, die im Durchschnitt ein halbes Jahr dauert, sehr kostspielig.“

Seit 2015 übernimmt Sylvana Kovacs-Pfefferkorn immer wieder Buchpatenschaften. | Foto:  privat
  • Seit 2015 übernimmt Sylvana Kovacs-Pfefferkorn immer wieder Buchpatenschaften.
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Ist die Restaurierung abgeschlossen, werden sogenannten Exlibris eingefügt. Das sind gedruckte oder gestempelte Nachweise, die auf die jeweiligen Buchpaten verweisen. Davon hat zum Beispiel Sylvana Kovacs-Pfefferkorn bereits viele. Die Wirtschaftsjuristin erfuhr 2015 vom Projekt und hat seitdem bis zu vier Patenschaften jährlich übernommen. „Ich liebe Bücher und bin der Meinung, dass im digitalen Zeitalter Bücher viel zu wenig geschätzt werden. Ein gutes Buch mit seinem Geruch, dem Geraschel der Seiten, einem guten Schriftbild ist für mich unbezahlbar“, schwärmt Sylvana Kovacs-Pfefferkorn. Ihre besondere Vorliebe gelte dabei historischen Landkarten und Handschriften, aber auch Herbarien und historischen Büchern über die Fauna und Flora.

Vermächtnis vergangener Generationen

„Die Geschichten dahinter, die Zeit, in der sie entstanden sind, die Menschen, die dazu beigetragen haben, dass Bücher existieren, faszinieren mich ganz besonders“, sagt Sylvana Kovacs-Pfefferkorn und betont die Bedeutung des Buchs als kulturelles Gedächtnis. „Wir leben zwar in der Gegenwart, aber sollten aus Erfahrungswerten und Wissen der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Bücher sind das Vermächtnis vergangener Generationen an uns. Wir sollten sorgfältig mit diesem Erbe umgehen.“

Informationen zu den verfügbaren Buchpatenschaften finden sich im Internet unter freunde-sbb.de/buchpatenschaften-uebersicht. Bei Fragen zu den Buchpatenschaften steht auch der Förderverein gerne zur Verfügung – per E-Mail an freunde@sbb.spk-berlin.de, aber auch telefonisch unter Tel. 266 43 80 00.

Autor:

Michael Vogt aus Prenzlauer Berg

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