Hier bauten Italiener Drehorgeln
Stele an der Schönhauser Allee erzählt Musikgeschichte

Blick in die Werkstatt von Giovanni Bacigalupo jun. um 1929. Hier werden mit einem speziellen Zeichenapparat Musikstücke auf eine Walze gezeichnet.  | Foto: Repro: BW/ Archiv
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  • Blick in die Werkstatt von Giovanni Bacigalupo jun. um 1929. Hier werden mit einem speziellen Zeichenapparat Musikstücke auf eine Walze gezeichnet.
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Wer sich vor den Schönhauser Allee Arcaden aufhält, kann eine Stele entdecken, die an die Herstellung mechanischer Musikinstrumente erinnert. Was hat es damit auf sich?

Drehorgelspieler waren schon immer in Prenzlauer Berg heimisch. Noch heute sieht man immer wieder den einen oder anderen auf der Schönhauser Allee. Sie bringen ein bisschen vom Alt-Berliner Flair in die pulsierende Einkaufsstraße. Doch kaum einer weiß heute noch, dass es hier einst eine renommierte Drehorgelfabrik gab, der Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Familie Bacigalupo.

Die Geschichte der Familie recherchierte vor zehn Jahren das Pankower Museum. Seinerzeit erhielt man eine Drehorgel aus dem Nachlass von Heinz Nerger (1917-2008). Der war als „Latschenpaule“ ein richtiges Berliner Original. Die Orgel, die Nerger 40 Jahre lang gedreht hatte, stammte aus den Händen der Bacigalupos. Die Familie entwickelte ihren Betrieb zu einem der bedeutendsten Produktionsorte mechanischer Musikinstrumente in Deutschland.

Giovanni Battista Bacigalupo (1847-1914) verschlug es Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin. Er verdingte sich, seinerzeit noch vor den Toren der Stadt, als Drehorgelbauer. Es war ein einträgliches Geschäft. 1891 gründete Bacigalupo gemeinsam mit dem Orgelbauer Giuseppe Cocchi und dem Gastwirt Antonio Graffigna eine Firma unter dem Namen „Cocchi, Bacigalupo und Graffigna“ an der Schönhauser Allee 79. Die drei Italiener führten den Betrieb bis 1903. Zeitweise hatten sie bis zu 50 Mitarbeiter: Tischler, Drechsler, Schlosser, Dreher, Gürtler, Bildermaler, Orgelbauer, Pfeifenmacher, Walzenarrangeure, Walzenzeichner und Walzenstifter. Die Instrumente wurden sogar auf internationalen Ausstellungen gezeigt. Gastwirt Graffigna organisierte den Verleih.

1903, nach dem Aus der gemeinsamen Firma, gründete Giovanni Battista Bacigalupo mit seinen beiden älteren Söhnen Louis und Giuseppe die Orgelbaufirma „Bacigalupo und Co." an gleicher Stelle. Es bestand nur zwei Jahre. Die Söhne gründeten eigene Unternehmen. Giovanni Battista Bacigalupo zog sich aus dem Drehorgelbau zurück.

Das Firmenschild, das viele Jahre an der Schönhauser Allee 74A zu sehen war, erinnert indes an Giovanni Bacigalupo jun. Er gründete eine Orgelbaufirma gemeinsam mit seinem Schwager Lino Gattorna, die dort ab 1912 beheimatet war. Mit dem Tod des letzten Orgelbauers der Familie, Giovanni „Hannes“ Bacigalupo (1889-1978), endete die Ära.

Geschichte und Produktivität der Familie Bacigalupo faszinieren noch alle heutigen Drehorgelspieler. Deshalb regte Jürgen Petschat vom Vorstand des Clubs Deutscher Drehorgelfreunde (CDD) vor einigen Jahren eine Gedenk- und Informationsstele für die Bacigalupos an. Beim Bezirksamt griff man den Vorschlag auf.

Das Management der Schönhauser Allee Arcaden, die sich gleich neben dem einstigen Betrieb befinden, erklärte sich damit einverstanden, dass 2015 diese Stele relativ geschützt im Eingangsbereich aufgestellt werden konnte. Am Eingang der Schönhauser Allee 74A hängt heute indes eine Gedenktafel.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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