Einige haben nie einen Arzt gesehen
Der Malteser Hilfsdienst sucht ehrenamtliche Ärzte für Nicht-Krankenversicherte
Für die meisten Berliner ist es ganz einfach: Wer krank ist, geht zum Arzt und wird behandelt. Doch was passiert, wenn man keine Krankenkassenkarte vorzeigen kann?
„Zwar haben Krankenhäuser im Notfall eine Behandlungspflicht, aber die Realität sieht oft anders aus“, sagt Dr. Hanno Klemm. Der Allgemeinmediziner ist Leiter der Malteser Migranten Medizin (MMM) in Berlin. Das 2001 gegründete Projekt soll Menschen ohne Krankenversicherung eine ärztliche Behandlung garantieren, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Herkunft. „Das M für Migranten kann getrost für Menschen stehen, denn es kommen auch Obdachlose oder ehemals Selbstständige ohne Versicherungsschutz“, sagt Dr. Klemm.
Allerdings, so fügt er hinzu, habe die Zahl derer ohne deutschen Pass und mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in den letzten Jahren stetig zugenommen. Das belegen über 10 000 Krankenakten. Auch wenn auf Wunsch anonym behandelt wird, sind die Mediziner doch bestrebt, die Krankheitsbilder festzuhalten.
Derzeit stammen die meisten Patienten aus Vietnam, aus der Balkanregion und den Subsaharagebieten. Dr. Klemm: „Es gibt eine hohe Fluktuation. Die Lebenssituation der Migranten spiegelt sich in den Besuchen wider. Viele, oft ohne festen Wohnsitz, kommen und ziehen dann weiter.“
Schon vor der Öffnungszeit bilden sich lange Warteschlangen vor dem Gebäude. Im Schnitt besuchen rund 50 Patienten die Praxis, in Spitzenzeiten sind es bis zu 75. Und die Krankheitsbilder? „Die sind weitgehend vergleichbar mit denen regulär Versicherter, aber oft mit schwerwiegenderen Ausprägungen“, erklärt Dr. Klemm. Aus seiner fünfjährigen Erfahrung weiß er: „Manche haben zuvor nie einen Arzt gesehen und sind in entsprechender Verfassung. Und wir haben hier zuweilen mehr TBC-Fälle als Mittelohrentzündungen.“
Nach seiner Facharztausbildung begann Hanno Klemm 2010 ein Sprachstudium in Berlin und landete im Rahmen eines interkulturellen Praktikums bei der Malteser Migranten Medizin. „So bin ich wieder zu meiner ursprünglichen ‚Berufung‘ zurückgekehrt.“
Nach einem Jahr ehrenamtlicher Tätigkeit wurde die Leitungsposition im Angestelltenverhältnis vakant. Heute koordiniert er ein Team von 35 Ehrenamtlichen, darunter Ärzte aller Fachrichtungen, Krankenschwestern und eine Sozialarbeiterin.
„Die meisten Ärzte befinden sich im Ruhestand und wollen es einfach nochmal wissen“, sagt Hanno Klemm. „Bei den jungen Ärzten von der Uni steht eher der Ehrenamtsgedanke im Vordergrund.“ Sie alle arbeiteten mit Herzblut und Enthusiasmus und dem Grundsatz, dass jeder Mensch ein Recht auf medizinische Grundversorgung hat.
Das Projekt finanziert sich durch Fördermittel des Landesamts für Gesundheit und Soziales, des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf und über Spenden. „Die sind immer willkommen, denn von der Ausstattung her arbeiten wir am unteren Limit“, erklärt Dr. Klemm.
Gleichwohl ist das Versorgungsspektrum breit: Vergleichbar mit einer kleinen Poliklinik sind Praxisräume für Allgemeinmedizin, Kindermedizin, Zahnmedizin, Gynäkologie und sogar eine Sozialmedizinische Beratung vorhanden und eingerichtet. „Wir geben den Menschen Tipps mit auf den Weg, informieren über weitere Behandlungsmöglichkeiten und vermitteln Anlaufstationen von Kooperationspartnern“, erklärt Dr. Klemm.
Anforderungsprofil: flexibel und unaufgeregt
Allerdings bringt die weiter steigende Zahl an Patienten das engagierte Team der Malteser schon jetzt oft an Grenzen. Eine personelle Aufstockung der Mediziner ist dringend erforderlich. Dr. Klemm: „Wir suchen Ärzte, die sich allgemeinmedizinisch betätigen wollen. Sie können aus unterschiedlichen Fachrichtungen kommen, sollten aber flexibel und auf alles gefasst sein.“
Interessenten werden gebeten, sich direkt entweder schriftlich an Dr. med. Hanno Klemm vom Malteser Hilfsdienst e.V. / Malteser Migranten Medizin, Aachener Straße 12, 10713 Berlin zu wenden oder sich unter ¿82 72 21 02 zu melden.
Weitere Informationen über die Malteser Migranten Medizin gibt es im Internet auf www.malteser-berlin.de/
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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